a) Allgemeines

 

Rz. 829

Die Verpflichtung zur Fortzahlung des Arbeitsentgelts für Zeiten krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist mit dem Entgeltfortzahlungsgesetz weitgehend abschließend geregelt. Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung sind einzelvertraglich unabdingbar, auf die gesetzlichen Ansprüche kann gem. § 12 EFZG im Voraus nicht wirksam verzichtet werden.[1848] Zulässig ist insoweit nur die vertragliche Verbesserung der Rechtsstellung des Arbeitnehmers, etwa durch eine Verlängerung der Anspruchsdauer oder durch die Gewährung eines Krankengeldzuschusses.[1849] Abweichende Regelungen zum Nachteil des Arbeitnehmers sind nur im Rahmen eines Tarifvertrages und auch dann nur hinsichtlich der der Entgeltfortzahlung zugrundeliegenden Bemessungsgrundlage zulässig,[1850] wobei auf eine solche Regelung gem. § 4 Abs. 4 EFZG auch einzelvertraglich Bezug genommen werden kann. Andere vertragliche Vereinbarungen über die Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung sind nur zulässig, soweit sie eine Besserstellung des Arbeitnehmers beinhalten. Verschlechterungen, wie etwa die Verpflichtung zur kostenlosen Nacharbeit krankheitsbedingter Fehlzeiten,[1851] sind unwirksam. Auch eine kompensatorische Gestaltung etwa in dem Sinne, dass zum Ausgleich für die Verkürzung des Entgeltfortzahlungszeitraums auf die Einhaltung einer Wartezeit verzichtet wird, ist nicht zulässig,[1852] so dass die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten insoweit beschränkt sind. Begrenzt zulässig ist eine vom Gesetz abweichende Vertragsgestaltung allerdings im Zusammenhang mit der Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung. Darüber hinaus besteht Regelungsbedarf im Zusammenhang mit einer durch Dritte schuldhaft verursachten Arbeitsunfähigkeit. Hier kann durch sachgerechte Vertragsgestaltung der Regress des Arbeitgebers, der dem verletzten Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung geleistet hat, gegenüber dem Schädiger erleichtert werden.

[1848] BAG 13.5.2015 – 10 AZR 495/14, juris; ErfK/Reinhard, § 12 EFZG Rn 5.
[1849] Zur Zulässigkeit einer "neutralen" Abweichung durch Tarifvertrag vgl. BAG 6.12.2017 – 5 AZR 118/17, NZA 2018, 597.
[1852] BAG 22.8.2001 – 5 AZR 699/99, AP Nr. 11 zu § 3 EntgeltFG.

b) Dauer der Entgeltfortzahlung

 

Rz. 830

Muster 1a.47: Dauer der Entgeltfortzahlung

 

Muster 1a.47: Dauer der Entgeltfortzahlung

Variante 1

Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird die Vergütung nach Maßgabe der jeweils geltenden gesetzlichen Regelungen fortgezahlt.

Variante 2

Wird der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden daran trifft, so hat er für die Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Die Anspruchsdauer erhöht sich nach einer Betriebszugehörigkeit von fünf Jahren auf neun Wochen, von zehn Jahren auf zwölf Wochen und von 15 Jahren auf 18 Wochen. Der Anspruch gemäß Satz 2 besteht nicht, wenn und soweit der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Krankengeld, Verletztengeld oder vergleichbare Sozialleistungen hat.

Krankengeldzuschuss

Wird der Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit an der Arbeitsleistung gehindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er für die Dauer von sechs Wochen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums erhält der Arbeitnehmer für die Zeit, in der ihm Krankengeld oder entsprechende gesetzliche Leistungen gezahlt werden, einen Krankengeldzuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Krankengeld und dem bisherigen Nettoentgelt. Ist der Arbeitnehmer privat krankenversichert, ist bei der Berechnung des Krankengeldzuschusses der Krankengeldhöchstsatz, der ihm bei einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung zustünde, zugrunde zu legen.

c) Erläuterungen

aa) Gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung

 

Rz. 831

Gem. § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu Rdn 408 ff.) Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen. Entsprechende Regelungen zur Dauer der Entgeltfortzahlung sind insoweit nur deklaratorischer Natur. Unterschiede in der Beurteilung können sich allerdings ergeben, wenn die gesetzlichen Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung eine Änderung erfahren sollten. So stellte sich anlässlich der vorübergehenden gesetzlichen Absenkung[1853] der Entgeltfortzahlung auf 80 % die Frage, ob den bestehenden Regelungen, die durchgehend eine Entgeltfortzahlung von 100 % vorsahen, ein konstitutiver oder nur ein deklaratorischer Charakter im Sinne einer Verweisung zukam.[1854] Da nicht abzusehen ist, ob in diesem Bereich zukünftig mit gesetzlichen Änderungen zu rechnen ist, ist zu empfehlen, bei der Vertragsgestaltung erkennbar zu machen, dass Maßstab stets die jeweils geltende gesetzliche Regelung sein soll.

[1853] Eingeführt zum 1.10.1996 durch das Arbeitsrechtliche Gesetz zur Förderung von Wachstum ...

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