Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
aa) Erscheinungsformen
Rz. 878
Die Freistellung führt zur Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis: Sie beseitigt den Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers. Bei der unentgeltlichen Freistellung entfällt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers. Erfolgt die Freistellung dagegen entgeltlich, behält der Arbeitnehmer seinen Vergütungsanspruch; er ist aber während des Freistellungszeitraums weder zur Arbeit verpflichtet noch berechtigt.
Rz. 879
Ein Arbeitnehmer hat ebenso wenig einen allgemeinen Freistellungsanspruch wie ein Arbeitgeber ein allgemeines einseitiges Freistellungsrecht. Stets bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung oder einer gesetzlichen bzw. kollektivrechtlichen Rechtsgrundlage. Bezahlte Freistellung kann ein Arbeitnehmer z.B. im Falle seiner vorübergehenden Verhinderung zur Arbeitsleistung verlangen (§ 616 BGB). Ein Recht auf unbezahlte Freistellung besteht etwa bei der Pflege naher Angehöriger (§§ 2 – 4 PflegeZG, § 2 FPfZG) oder gemäß den Vorschriften zur Elternzeit (§§ 15 f. BEEG). Die Rechtsprechung gibt einem Arbeitgeber ein einseitiges Recht zur bezahlten Freistellung des Arbeitnehmers, wenn die Abwägung der beiderseitigen Interessen ergibt, dass die Interessen des Arbeitgebers schutzwürdiger sind als jene des Arbeitnehmers.
Rz. 880
Einvernehmliche entgeltliche Freistellungen sind vor allem in Aufhebungsverträgen oder gerichtlichen Vergleichen weit verbreitet. Vorsorge für etwaige Freistellungen kann auch bereits im Arbeitsvertrag getroffen werden; hierdurch kann insbesondere die im Beendigungszeitraum bestehende Unsicherheit über das Bestehen eines einseitigen Freistellungsrechts vermieden werden.
bb) Urlaubsansprüche
Rz. 881
Häufig sollen mit der Freistellung – insbesondere, wenn diese bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt – zugleich bestehende (Rest-)Urlaubsansprüche erfüllt werden. Dies setzt zunächst voraus, dass der Arbeitgeber hinreichend deutlich erkennen lässt, dass durch die Freistellung der Urlaubsanspruch erfüllt werden soll. Außerdem darf die Freistellung für die Zeit der Urlaubserteilung nicht widerruflich erfolgen. Nur die unwiderrufliche Freistellung verbraucht den Urlaubsanspruch. Die Unwiderruflichkeit muss allerdings nicht gesondert erklärt werden. Erfolgt die Freistellung ausdrücklich weder widerruflich noch unwiderruflich, aber in Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche, liegt eine unwiderrufliche Freistellung vor, weil die Unwiderruflichkeit Rechtsfolge der Urlaubserteilung ist. Dagegen reicht es nicht aus, wenn der Arbeitnehmer widerruflich unter Anrechnung auf bestehende Urlaubsansprüche freigestellt wird; in diesem Fall behält der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung. Das gleiche gilt, wenn der Arbeitnehmer lediglich unwiderruflich, aber nicht unter Anrechnung der Urlaubsansprüche, freigestellt wird. Möglich ist auch, den Arbeitnehmer bis zur Erfüllung der noch bestehenden Urlaubsansprüche unwiderruflich, im Übrigen widerruflich freizustellen.
Rz. 882
Eine Freistellung unter Anrechnung auf den Urlaubsanspruch kann auch vorsorglich für den Fall der Unwirksamkeit einer ausgesprochenen ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung erklärt werden. Nach Rechtsprechung des BAG gewährt ein Arbeitgeber durch die Freistellungserklärung in einem Kündigungsschreiben allerdings nur dann wirksam Urlaub, wenn er dem Arbeitnehmer die Urlaubsvergütung vor Antritt des Urlaubs zahlt oder vorbehaltlos zusagt. Für den Regelfall – Ausspruch einer ordentlichen Kündigung und Freistellung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – bleibt dies ohne Konsequenz. Denn die Freistellung erfolgt in diesem Fall ohnehin entgeltlich, d.h. unter Fortzahlung der vertragsgemäßen Vergütung; damit erhält der Arbeitnehmer auch die ihm zustehende Urlaubsvergütung. Relevant wird diese Rechtsprechung allerdings zum einen in dem Fall, dass der Arbeitgeber fristlos, hilfsweise ordentlich kündigt und dabei den Arbeitnehmer gleichzeitig für die Dauer der Kündigungsfrist der vorsorglichen ordentlichen Kündigung freistellt. In diesem Fall muss der Arbeitgeber ausdrücklich die vorbehaltslose Zahlung der Urlaubsvergütung in dem Kündigungsschreiben zusagen, d.h. unabhängig von der Wirksamkeit der fristlosen Kündigung. Der Arbeitnehmer kann dann bei Antritt seines Urlaubs die Vergütung verlangen; nur wenn der Arbeitgeber diese leistet, wird der Urlaub verbraucht. Es reicht dagegen nicht aus, wenn dem Arbeitnehmer erst nach der rechtskräftigen Entscheidung über seine Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird. Der Arbeitnehmer wäre da...