Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
Rz. 896
Der Freiwilligkeitsvorbehalt hat seine praktische Bedeutung weitgehend verloren. Dabei verspricht er von allen Änderungsvorbehalten die größte Freiheit. Er stellt die Gewährung einer Leistung in das freie Ermessen des Arbeitgebers. Im Gegensatz zu einem Widerrufsvorbehalt, der dem Arbeitnehmer solange einen Anspruch auf Gewährung der Leistung einräumt, bis der Arbeitgeber von seinem Widerrufsrecht ordnungsgemäß Gebrauch macht (siehe dazu Rdn 1701 ff.), hindert der Freiwilligkeitsvorbehalt bereits das Entstehen eines Anspruchs. Der Arbeitgeber ist deshalb frei, die Leistung jederzeit und ohne gesonderte Erklärungshandlung einzustellen. Eine Bindung für die Zukunft besteht nicht. Die Rechtsprechung erkennt den Freiwilligkeitsvorbehalt allerdings nur in Ausnahmefällen als legitimes Gestaltungsmittel an. Er ist unverändert ein wirksames Instrument zur Verhinderung einer betrieblichen Übung. Ein Mehr an Entgeltflexibilisierung lässt sich mit ihm aber nicht verwirklichen. Bei der Vertragsgestaltung ist stattdessen auf andere Änderungsvorbehalte – etwa den Widerrufsvorbehalt oder die Teilbefristung – zurückzugreifen. Eine Alternative ist zudem die Zahlung von Ermessensgratifikationen: In diesem Fall räumt der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf die Sonderleistung ein, behält sich aber vor, die Höhe nach billigem Ermessen zu bestimmen. Selbst der Zusatz, die Sonderzahlung übersteige "derzeit ein volles Monatsgehalt nicht", schränkt dann das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB nicht ein – nicht einmal dann, wenn die Leistung jahrelang in Höhe eines vollen Monatsgehalts gewährt wurde.
b) Wirksamkeitsvoraussetzungen
Rz. 897
Bei Freiwilligkeitsvorbehalten sind zwei Fragen voneinander zu trennen: Zum einen, welche Leistungen des Arbeitgebers überhaupt mit einem entsprechenden Vorbehalt versehen werden dürfen. Zum anderen die formalen Anforderungen, die bei der Formulierung der Klausel zu beachten sind.
aa) Inhaltliche Anforderungen
Rz. 898
Im Schrifttum wurden Freiwilligkeitsvorbehalte betreffend das Arbeitsentgelt im engeren Sinne im Anschluss an ein Urteil des 5. Senats aus dem Jahr 2007 ganz überwiegend für unzulässig erachtet. Sowohl Bestandteile des Grundgehalts als auch zusätzliche regelmäßige Zahlungen, mit denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung abgelten möchte, sollten nicht wirksam mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden werden können. Der Umfang der jeweiligen Leistung war dabei unerheblich. Jüngeren Entscheidungen des 10. Senats zufolge soll es für die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts weder auf den vom Arbeitgeber mit der Leistung verfolgten Zweck – Honorierung der Betriebstreue oder Abgeltung der Arbeitsleistung – noch auf die Höhe der Zahlung ankommen. Selbst Arbeitsentgelt im engeren Sinn kann somit freiwillig gewährt werden und zwar ungeachtet der Höhe der Zahlung bzw. ihres prozentualen Anteils an der Gesamtvergütung. Die bei Widerrufsvorbehalten bestehende Unantastbarkeit des Kernbereiches (vgl. dazu Rdn 1704 f.) existiert beim Freiwilligkeitsvorbehalt nicht. In materieller Hinsicht soll allein der Auszahlungszeitpunkt über die Zulässigkeit der freiwilligen Leistung entscheiden: Nicht bei laufendem Arbeitsentgelt, sondern nur bei zeitlich davon getrennten Sonderzahlungen kann ein Arbeitgeber den Rechtsanspruch auf die Leistung ausschließen.
Rz. 899
Wo die Grenze zwischen Sonderzahlung und laufendem Arbeitsentgelt verläuft, ist offen. Nach Ansicht des BAG ist eine allgemeingültige Abgrenzung nicht möglich. Bis eine Konkretisierung durch die Gerichte erfolgt, stehen deshalb nur die äußeren Grenzen fest: Erfolgt die Vergütung monatlich, ist die einmal im Jahr gewährte Zusatzvergütung als Sonderzahlung zu qual...