Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Haftung des Arbeitnehmers
Rz. 979
Bereits bei der Schaffung des BGB war gefordert worden, die Arbeitnehmerhaftung auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen. Der Gesetzgeber ist dem bis heute nicht nachgekommen. Der im Zuge der Schuldrechtsreform neu geschaffene § 619a BGB enthält lediglich eine von § 280 Abs. 1 S. 2 BGB abweichende Beweislastverteilung. Er bestimmt, dass der Arbeitgeber nicht nur die Pflichtverletzung zu beweisen hat, sondern auch das Verschulden des Arbeitnehmers. Darüber hinaus haftet der Arbeitnehmer auch bei nachgewiesenem Verschulden nicht ohne Weiteres auf den vollen Schaden. Vielmehr hat die Rechtsprechung Grundsätze zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung entwickelt, die nach dem Grad der Pflichtverletzung differenzieren.
aa) Nichtleistung
Rz. 980
Tritt ein Arbeitnehmer die Arbeit nicht an, beendet er das Arbeitsverhältnis vorzeitig oder leistet er aus sonstigen Gründen nicht die geschuldete Arbeit und wird dadurch vertragsbrüchig, greifen die allgemeinen zivilrechtlichen (Haftungs-)Regeln. Danach entfällt die Vergütungspflicht des Arbeitgebers; §§ 275, 326 Abs. 1 S. 1 BGB. Ferner kann der Arbeitgeber seinen Anspruch auf Arbeitsleistung einklagen; die Verurteilung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung ist aber nach §§ 62 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. 888 Abs. 3 ZPO nicht vollstreckbar. Deshalb sollte der Arbeitgeber seine Klage auf Arbeitsleistung stets mit dem unechten Hilfsantrag verbinden, dass der Arbeitnehmer zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen ist, wenn er die Arbeit nicht binnen einer bestimmten Frist aufgenommen hat, (§ 61 Abs. 2 S. 1 ArbGG). Diese Entschädigung darf den Schaden nicht übersteigen, den der Arbeitgeber durch den Arbeitsvertragsbruch erlitten hat. Der Arbeitgeber kann von einem vertragsbrüchigen Arbeitnehmer auch unmittelbar Schadensersatz verlangen. Schadensersatzansprüche können sich grundsätzlich aus §§ 280, 281, 283 BGB oder nach § 823 BGB ergeben. Nimmt der Arbeitgeber das Verhalten des Arbeitnehmers zum Anlass einer außerordentlichen Kündigung, kommt in Ergänzung § 628 Abs. 2 BGB in Betracht. Der Nachweis eines konkreten Schadens wird oftmals aber nicht zu führen sein. Das Interesse des Arbeitgebers daran, dass der Arbeitnehmer die versprochene Arbeit tatsächlich leistet, lässt sich daher am effektivsten mit einer Vertragsstrafe absichern (siehe dazu Rdn 1601 ff.). Besonderheiten gelten bei Berufsausbildungsverhältnissen. Dort trifft § 23 BBiG eine Sonderregelung betreffend Schadensersatz und nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 BBiG ist die Vereinbarung einer Vertragsstrafe nichtig.
bb) Schlechtleistung
Rz. 981
Ein Arbeitnehmer haftet im Falle der Schlechtleistung seinem Arbeitgeber nicht zwangsläufig auf den vollen Schaden. Bei betrieblich veranlasster Tätigkeit kommt vielmehr eine Begrenzung der Arbeitnehmerhaftung durch die richterrechtlichen Grundsätze zur beschränkten Arbeitnehmerhaftung zum Tragen, den sog. innerbetrieblichen Schadensausgleich. Betrieblich veranlasst sind alle Tätigkeiten, die einem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich übertragen worden sind oder die er im Interesse des Arbeitgebers für den Betrieb ausführt. Das Handeln braucht dabei nicht zum eigentlichen Aufgabenbereich des Arbeitnehmers zu gehören und kann auch außerhalb der Arbeitszeit erfolgen. Der betriebliche Zusammenhang wird ferner nicht dadurch unterbrochen, dass der Arbeitnehmer bei Ausführung der Tätigkeit seine Verhaltenspflichten grob fahrlässig oder vorsätzlich verletzt. Bei betrieblich veranlassten Tätigkeiten wird das allgemeine Haftungsregime des BGB modifiziert. Der Arbeitgeber muss sich analog § 254 BGB die Betriebsgefahr seines Unternehmens zurechnen lassen und deshalb – je nach Verschuldensgrad des Arbeitnehmers – einen Teil des entstandenen Schadens selbst tragen.
Rz. 982
Grundsätzlich gilt: Der Arbeitnehmer haftet nicht bei leichtester Fahrlässigkeit, anteilig bei mittlerer (= "normaler") Fahrlässigkeit und i.d.R. voll bei grober Fahrlässigkeit und bei Vorsatz. Kommt nicht der Arbeitgeber, sondern ein außenstehender Dritter – z.B. ein Kunde – zu Schaden, haftet der Arbeitnehmer diesem nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen grundsätzlich voll. Im Innenverhältnis zu seinem Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer allerdings ein Freistellungsanspruch zustehen, wenn und soweit er diesem nach den Grundsätzen zum innerbetrieblichen Schadensausgleich nicht haften würde.
Rz. 983
Das BAG hält bis in die Gegenwart an der These fest, beim innerbetrieblichen...