Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
Rz. 1158
Die Lohnansprüche des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber können von einem Gläubiger gepfändet werden. In der vollstreckungsrechtlichen Begrifflichkeit ist der Arbeitnehmer der Schuldner und der Arbeitgeber der Drittschuldner. Die Pfändung und Überweisung des Lohnanspruchs hat folgende Rechtsfolgen: der Arbeitgeber – als Drittschuldner – darf, soweit die Pfändung reicht, den Lohn nicht mehr an den Arbeitnehmer – als Schuldner – zahlen; der Gläubiger kann über die gepfändete und überwiesene Lohnforderung verfügen, sie also einziehen, abtreten usw. Umgekehrt kann der Arbeitnehmer über die gepfändete Lohnforderung selbst nicht mehr verfügen, eine Verfügung wäre gegenüber seinem Gläubiger unwirksam.
Der Aufwand für den Arbeitgeber ist nicht unerheblich:
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Der Arbeitgeber hat sich innerhalb von 2 Wochen nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses über die ihm nach § 840 ZPO gestellten Fragen zu erklären (sog. Drittschuldnererklärung). |
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Er hat festzustellen, ob und ggf. in welcher Höhe durch die Pfändung das Arbeitseinkommen gepfändet worden ist; er hat die Rechtswirksamkeit des Pfändungsbeschlusses zu prüfen, den pfändbaren Betrag zu berechnen und dabei die relevanten Pfändungsfreigrenzen zu berücksichtigen. |
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Der Arbeitgeber hat dann den unpfändbaren Betrag an den Arbeitnehmer auszuzahlen, und den gepfändeten Lohnbetrag dem Gläubiger zu übersenden. Zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Lohn weiter aus ohne Berücksichtigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses, ist diese Zahlung dem Gläubiger gegenüber unwirksam, d.h. er kann weiterhin Zahlung der gepfändeten Lohnforderung verlangen. Der Arbeitgeber ist dann auf den Rückforderungsanspruch nach § 812 BGB gegen den Arbeitnehmer angewiesen. |
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Im Falle einer Mehrzahl von Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen hat der Arbeitgeber zudem den Rang der jeweiligen Gläubiger zu ermitteln. |
Lohnpfändungen und deren administrative Bearbeitung sind also für Arbeitgeber mit nicht unerheblichem Zeit- und Personalaufwand verbunden, und die Kosten dafür sollen auf den Arbeitnehmer verlagert werden (Kostenerstattung).
b) Erstattung von Lohnpfändungskosten
aa) Gesetzliche Erstattungsgrundlage
Rz. 1159
Der Arbeitgeber hat keinen gesetzlichen Anspruch gegen den Arbeitnehmer auf Erstattung der Kosten für die Bearbeitung von Lohn- und Gehaltspfändungen. Ein solcher Anspruch folgt weder aus den Vorschriften der ZPO (etwa § 788 Abs. 1 ZPO, § 840 Abs. 1 ZPO), noch aus den Bestimmungen des BGB (etwa Geschäftsbesorgung ohne Auftrag, §§ 670, 683 BGB). Ebenso wenig soll sich ein Erstattungsanspruch aus einer Verletzung vertraglicher Pflichten durch den Arbeitnehmer oder den Grundsätzen der Drittschadensliquidation ergeben. Gegenüber dem Gläubiger befindet sich der Arbeitnehmer (Schuldner) zwar spätestens seit seiner Verurteilung in Verzug. Die Bearbeitungskosten sind prozessual betrachtet auch Kosten der Zwangsvollstreckung, die gem. § 788 ZPO grundsätzlich der Schuldner (= Arbeitnehmer) zu tragen hat. Diese Vorschrift gilt aber nur im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, nicht für Aufwendungen des Drittschuldners. Die Möglichkeit einer Drittschadensliquidation der beim Arbeitgeber als Drittschuldner entstandenen Bearbeitungskosten durch den Gläubiger und der damit verbundenen Abtretung der für die Bearbeitung entstandenen und nachgewiesenen Aufwendungen verneint das BAG.
bb) Kollektivrechtliche Erstattungsgrundlage
Rz. 1160
Ein Erstattungsanspruch des Arbeitgebers für die Kosten der Pfändungsbearbeitung kann nicht (mehr) durch Betriebsvereinbarung begründet werden. das BAG hat nämlich die Regelung eines Kostenerstattungsanspruchs in einer Betriebsvereinbarung für unwirksam erklärt.
Die Kostenerstattung bei Lohnpfändungen ist nicht vom Regelungsumfang der zwingenden Mitbestimmungstatbestände des § 87 Abs. 1 BetrVG erfasst. Weder geht es um Ordnungsverhalten im Sinne des § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, denn die Kostenerstattung regelt nicht das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Vielmehr geht es um Vermögensangelegenheiten. Diese sind Teil des mitbestimmungsfreien außerdienstlichen Verhaltens der Arbeitnehmer.
Eine "Bearbeitungsgebühr" für Gehaltspfändungen betrifft auch weder Zeit noch Ort und Art der Auszahlung des Arbeitsentgelts nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG.
Ein Kostenerstattungsanspruch kann auch nicht durch freiwillige Betriebsvereinbarung nach § 88 BetrVG begründet werden, da diese Vorschrift...