Martin Brock, Dr. Katja Francke
a) Allgemeines
Rz. 1173
Die Probezeit zu Beginn eines Arbeitsverhältnisses dient beiden Vertragsparteien – Arbeitgeber und Arbeitnehmer – zur Erprobung, um herauszufinden, ob sie sich eine auf lange Dauer angelegte Zusammenarbeit vorstellen können. Für den Arbeitgeber geht es in erster Linie darum, über den Eindruck im Bewerbungsverfahren hinaus die Eignung und Befähigung des neuen Mitarbeiters zu eruieren und zu testen. Für den Arbeitnehmer geht es darum, zu erkennen, ob er sich in dem Betrieb und mit den neuen Kollegen usw. "wohlfühlt" und sich mit seinen Aufgaben identifizieren kann.
Rz. 1174
Das Arbeitsverhältnis während der Probezeit – sog. "Probearbeitsverhältnis" – ist ein "normales" Arbeitsverhältnis mit allen gegenseitigen Rechten und Pflichten. Der Arbeitnehmer ist zur vertragsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung verpflichtet und erhält dafür das vereinbarte Gehalt, § 611a BGB. Zum Teil gelten jedoch besondere Regeln, die überwiegend nichts mit dem Zweck der Erprobung zu tun haben, sondern vorwiegend mit dem "Erdienen" von Ansprüchen bzw. Erreichen eines Sozialschutzes. Beispiele sind:
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§ 4 BUrlG: voller Urlaubsanspruch erst nach Wartezeit von 6 Monaten; |
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§ 3 Abs. 3 EFZG: Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle erst nach 4-wöchigem Bestand des Arbeitsverhältnisses; |
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§ 1 Abs. 1 KSchG: Kündigungsschutz erst nach 6 Monaten (Wartefrist); |
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§ 8 Abs. 1 TzBfG: Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit erst nach 6 Monaten; |
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§ 90 SGB IX: Sonderkündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen erstmalig nach 6 Monaten. |
Rz. 1175
Zu unterscheiden vom Probearbeitsverhältnis ist das sog. Einfühlungsverhältnis. Der Arbeitgeber will dem potentiellen (zukünftigen) Mitarbeiter das Kennenlernen des Arbeitsplatzes ermöglichen. Der Kandidat wird dazu in den Betrieb aufgenommen, ohne jedoch zur Arbeitsleistung verpflichtet zu sein. Er unterliegt keinem Direktionsrecht, sondern lediglich dem Hausrecht des potentiellen Arbeitgebers. Im Gegenzug ist der Arbeitgeber auch nicht zu einer Vergütungszahlung verpflichtet, und zwar selbst dann nicht, wenn der Arbeitnehmer verwertbare oder nützliche Tätigkeiten verrichtet hat.
b) Art der Vereinbarung der Probezeit
Rz. 1176
Ein Probearbeitsverhältnis kann auf zwei Arten zustande kommen:
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als befristetes Probearbeitsverhältnis oder |
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als unbefristetes Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit (Normalfall). |
Hinweis
In der Praxis nutzen Arbeitgeber häufig auch die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG (bei einer Erstanstellung) zur Erprobung bis zur maximalen Dauer von zwei Jahren und vereinbaren zudem eine Probezeit gemäß § 622 Abs. 3 BGB. Dabei handelt es sich nicht um ein "Probearbeitsverhältnis" im engeren Sinne
aa) Befristetes Probearbeitsverhältnis
Rz. 1177
Ein befristetes Probearbeitsverhältnis ist ein Arbeitsverhältnis, das für die Dauer der Erprobung befristet ist. Die Erprobung ist als Sachgrund einer Befristung ausdrücklich anerkannt, § 14 Abs. 1 Nr. 5 TzBfG.
Die Befristungsvereinbarung unterliegt der Schriftform, § 14 Abs. 4 TzBfG. Der zugrunde liegende sachliche Grund – Erprobungszweck – ist objektive Wirksamkeitsvoraussetzung für die Befristung. Der Erprobungszweck muss zur Wirksamkeit der Befristung jedoch nicht ausdrücklich im Vertrag genannt oder schriftlich fixiert werden.
Das Gesetz nennt keine Höchstfrist. Im Allgemeinen werden nach dem Vorbild des § 1 Abs. 1 KSchG (sog. Wartezeit für Kündigungsschutz) und der Kündigungsfristenregelung für Kündigungen während der Probezeit (§ 622 Abs. 3 BGB) sechs Monate ausreichen.
Die befristete Verlängerung einer Probezeit ist rechtlich nicht ausgeschlossen. Kann der Arbeitgeber Eignung und Leistung eines Arbeitnehmers wegen der besonderen Anforderungen des Arbeitsplatzes innerhalb von sechs Monaten nicht genügend beurteilen, darf eine längere Probezeit vereinbart werden, ggf. durch nachträgliche befristete Verlängerung der Probezeit.
Rz. 1178
Die Regelung zur Probezeitbefristung in einem Standardarbeitsvertrag kann jedoch überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB und damit unwirksam sein, etwa wenn die Befristung zum Ablauf der Probezeit an einer "unpassenden" bzw. überraschenden Stelle im Arbeitsvertrag – etwa in der Regelung zum Beginn des Arbeitsverhältnisses und nicht in der Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthalten ist, und der Arbeitsvertrag auch sonst die Probezeitbefristung nicht besonders hervorhebt. Im Übrigen kann auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegen, wenn die gleichzeitige Vereinbarung sonstiger Arbeitsbedingungen die Fortführung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus voraussetzen, etwa die Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Erreichen des Rentenalters, verlängerte Kündigungsfristen oder etwaige Rückzahlungspflichten bei Ausscheiden vor dem 31. März des Folgejahrs.
Rz. 1179
Auch eine "Doppelbefristung" – sechsmonatige Probezeitbefristung in einem auf ein Jahr befristeten Arbeits...