Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 525
Arbeitgeber haben aus verschiedenen Gründen ein Interesse, den Gesundheitszustand ihrer Arbeitnehmer ärztlich überprüfen zu lassen, sei es, um gesetzlichen Pflichten zu entsprechen, sei es, um die Arbeitsfähigkeit zu gewährleisten oder sei es um eine behauptete Arbeitsunfähigkeit überprüfbar zu machen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt Arbeitnehmer aber vor schrankenloser Erhebung und Weitergabe von Befunden über ihren Gesundheitszustand. Schutzobjekt ist die Privatsphäre, die alle Informationen privater Natur umfasst. Gleichwohl können Arbeitnehmer von Gesetzes wegen, durch Tarifvertrag oder aufgrund individualvertraglicher Abreden verpflichtet sein, sich vor oder/und während des Arbeitsverhältnisses ärztlich untersuchen zu lassen. Eine Untersuchungspflicht kann auch als nebenvertragliche Pflicht begründet sein.
Der Umfang der Pflicht des Arbeitnehmers zur Gestattung von Gesundheitsuntersuchungen und zur Offenbarung der Ergebnisse gegenüber dem Arbeitgeber wird definiert durch das Fragerecht des Arbeitgebers einerseits, die Offenbarungspflicht des Arbeitnehmers andererseits und durch die Anforderungen des konkret betroffenen Arbeitsplatzes. Ein Informationsinteresse des Arbeitgebers besteht nur im Hinblick auf die Geeignetheit des Arbeitnehmers für die in Aussicht gestellte Stelle oder – im bestehenden Arbeitsverhältnis – bezüglich des Fortbestandes der Eignung und/oder der Arbeitsfähigkeit.
aa) Pflichtuntersuchungen aufgrund von Gesetz bzw. Tarifvertrag
Rz. 526
Ein Bedarf für eine vertragliche Regelung besteht nicht, soweit sich Untersuchungspflichten aus Gesetzen und Verordnungen bzw. aus Tarifverträgen ergeben.
Rz. 527
Seit dem 24.12.2008 ist die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) in Kraft, die die zuvor verstreuten verschiedenen Rechtsvorschriften zusammenfasst (GefahrstoffVO, BiostoffVO, Gentechnik-SicherheitsVO, Lärm- und Vibrations-ArbeitsschutzVO, DruckluftVO, BildschirmarbeitsplatzVO, BGV A 4). Allerdings gelten die berufsgenossenschaftlichen Vorschriften der BGV A 4 fort für die arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung von ehrenamtlichen Einsatzkräften der Bundesrepublik Deutschland, z.B. bei den freiwilligen Feuerwehren und den Hilfsorganisationen, denn diese werden nicht von dem Anwendungsbereich der ArbMedVV erfasst. Die Erste Verordnung zur Änderung der ArbMedVV aus dem Jahr 2013 bewirkt weitere Rechtsklarheit, insbesondere zur Abgrenzung von arbeitsmedizinischer Vorsorge und Eignungsuntersuchungen. Eignungsuntersuchungen lassen sich nicht auf die Rechtsgrundlage der ArbMedVV stützen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 ArbMedVV).
Rz. 528
Die ArbMedVV regelt in ihrem § 4 die sog. Pflichtvorsorge, ferner in § 5 die sog. Angebotsvorsorge und in § 5a die sog. Wunschvorsorge. Untersuchungen im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge sind ausschließlich auf freiwilliger Basis und unter der Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer diese nicht ablehnt, zulässig (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbMedVV). Allerdings muss die Pflichtvorsorge bei bestimmten besonders gefährdenden Tätigkeiten als Erst- und Nachvorsorge veranlasst werden und ist Beschäftigungsvoraussetzung, das heißt, dass eine entsprechende Tätigkeit ohne Teilnahme des Arbeitnehmers an der Pflichtvorsorge nicht durchgeführt werden darf (§ 4 Abs. 2 ArbMedVV). Eine Erwähnung im Arbeitsvertrag kann in diesen Fällen zum Zwecke der Klarstellung sinnvoll sein.
Der Arbeitgeber ist gemäß § 3 Abs. 4 ArbMedVV überdies verpflichtet, eine Vorsorgekartei zu führen, in der Angaben über Anlass, Tag und Ergebnis jeder Untersuchung archiviert werden. Durch die Änderung des ArbMedVV wurde das Erfordernis zum Führen einer Vorsorgekartei durch den Arbeitgeber auf alle Arten der Vorsorge ausgedehnt. Damit einher geht nach der Änderung der ArbMedVV die Pflicht des Arztes, die Vorsorgebescheinigung nun bei allen Arten der Vorsorge und damit anders als bisher nicht nur in Fällen der Pflichtvorsorge auszustellen. Die Vorsorgebescheinigung darf allerdings nur noch folgende Angaben enthalten: Vorsorgeanlass, Tag der arbeitsmedizinischen Vorsorge und ärztliche Beurteilung, wann eine weitere arbeitsmedizinische Vorsorge angezeigt ist (§ 6 Abs. 3 Nr. 3 ArbMedVV). Eine Mitteilung des Ergebnisses der Vorsorgemaßnahme ist allerdings nicht mit aufzunehmen. Folge ist ein Aufleben der Diskussion um die rechtlichen Grundlagen von Eignungsuntersuchungen.
Rz. 529
Weitere Pflichtuntersuchungen ergeben sich u.a. aus § 43 Abs. 1 IfSG für Personal beim Umgang mit Lebensmitteln, aus § 37 RöntgenVO, § 60 Strahlenschutzverordnung, aus der Fahrerlaubnis-Verordnung (Anl. 5 zu §§ 11 und 48 FeV), aus § 32 ff. JArbSchG, § 81 SeemG oder aus § 5 Abs. 1 S. 2 EFZG.
Rz. 530
Untersuchungspflichten können auch auf tarifvertraglicher Basis beruhen, z.B. auf § 7 BAT, der Pflichtuntersuchungen sowohl vor der Einstellung als auch – unter den dort geregelten Voraussetzungen – im laufenden Arbeitsverhältnis regelt. Für eine Regelgung, die ...