Rz. 896
Der Freiwilligkeitsvorbehalt hat seine praktische Bedeutung weitgehend verloren. Dabei verspricht er von allen Änderungsvorbehalten die größte Freiheit. Er stellt die Gewährung einer Leistung in das freie Ermessen des Arbeitgebers. Im Gegensatz zu einem Widerrufsvorbehalt, der dem Arbeitnehmer solange einen Anspruch auf Gewährung der Leistung einräumt, bis der Arbeitgeber von seinem Widerrufsrecht ordnungsgemäß Gebrauch macht (siehe dazu Rdn 1701 ff.), hindert der Freiwilligkeitsvorbehalt bereits das Entstehen eines Anspruchs.[1980] Der Arbeitgeber ist deshalb frei, die Leistung jederzeit und ohne gesonderte Erklärungshandlung einzustellen. Eine Bindung für die Zukunft besteht nicht. Die Rechtsprechung erkennt den Freiwilligkeitsvorbehalt allerdings nur in Ausnahmefällen als legitimes Gestaltungsmittel an. Er ist unverändert ein wirksames Instrument zur Verhinderung einer betrieblichen Übung.[1981] Ein Mehr an Entgeltflexibilisierung lässt sich mit ihm aber nicht verwirklichen. Bei der Vertragsgestaltung ist stattdessen auf andere Änderungsvorbehalte – etwa den Widerrufsvorbehalt oder die Teilbefristung – zurückzugreifen. Eine Alternative ist zudem die Zahlung von Ermessensgratifikationen: In diesem Fall räumt der Arbeitgeber einen Rechtsanspruch auf die Sonderleistung ein, behält sich aber vor, die Höhe nach billigem Ermessen zu bestimmen.[1982] Selbst der Zusatz, die Sonderzahlung übersteige "derzeit ein volles Monatsgehalt nicht", schränkt dann das einseitige Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB nicht ein – nicht einmal dann, wenn die Leistung jahrelang in Höhe eines vollen Monatsgehalts gewährt wurde.[1983]
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