Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1376
Die Beherrschung einer Sprache kann in unterschiedlichen Zusammenhängen arbeitsrechtliche Relevanz erlangen. Anlass für Streitigkeiten kann bereits die Vertragssprache bieten. Gemeint ist die Sprache, in der die Parteien ihr Arbeitsverhältnis begründen, gestalten und beenden. Die Vertragssprache ist relevant zur Beantwortung der Frage, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitnehmer die rechtlichen Nachteile zu tragen hat, die dadurch entstehen können, dass der Arbeitnehmer die Bedeutung einseitiger Willenserklärungen oder von Rechtsgeschäften mangels hinreichender Sprachkenntnisse nicht richtig erfasst. Bezüglich der damit angesprochenen Verteilung des Sprachrisikos gilt Folgendes: Der Abschluss und die Änderung von Arbeitsverträgen ist selbst dann in deutscher Sprache zulässig, wenn der betroffene Arbeitnehmer dieser nur unvollkommen mächtig ist. Dies überzeugt deshalb, weil im Abschluss des schriftlichen, in deutscher Sprache ausgefertigten Vertrages zugleich die konkludente Wahl von Deutsch als Vertragssprache liegt. Auch eine Pflicht zur Übersetzung der AGB besteht in diesem Fall nicht. Das gleiche gilt, wenn die Verhandlungs- und die Vertragssprache auseinander fallen. Für diesen Fall wird zwar vertreten, dass AGB nur dann Vertragsbestandteil werden sollen, wenn der Verbraucher der Vertragssprache mächtig ist. Die Gegenauffassung – der sich das BAG angeschlossen hat – betont dagegen zu Recht, dass das Unterzeichnen eines Vertrags in Unkenntnis seines Inhalts in den Risikobereich des Arbeitnehmers fällt und dieser daher das Sprachrisiko zu tragen habe. Der des Deutschen nicht mächtige Arbeitnehmer muss sich behandeln lassen wie eine Person, die einen Vertrag ungelesen unterschreibt. Insbesondere ist es unerheblich, ob die Vertragsverhandlungen in einer anderen als der Vertragssprache geführt wurden. Für ihn nachteilige Klauseln – wie z.B. Ausschlussfristen – muss ein Arbeitnehmer somit gegen sich gelten lassen, selbst wenn er sie mangels Kenntnis der deutschen Sprache nicht verstanden hat. Eine allgemeine Übersetzungspflicht des Arbeitgebers besteht – abgesehen von gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen (z.B. § 2 Abs. 5 WO) – nicht.
Rz. 1377
Das BAG hat es in einer älteren Entscheidung als vertretbar erachtet, den Zugang einer Abmahnung erst nach Ablauf einer angemessenen Zeitspanne anzunehmen, die bei verkehrsüblicher Sorgfalt für den sprachunkundigen Arbeitnehmer erforderlich ist, um eine Übersetzung zu erlangen. Die Wirksamkeit einer Ausgleichsquittung wird überwiegend ebenfalls davon abhängig gemacht, dass der Arbeitnehmer sie verstanden hat. Auch bei Kündigungserklärungen wird vertreten, dass die Kündigung erst nach Ablauf einer angemessenen Übersetzungsfrist wirksam wird. Nach anderer Ansicht soll die Kündigung dagegen bereits mit ihrem Zugang wirksam werden. Das BAG hat mittlerweile zu Recht klargestellt, dass Willenserklärungen dem Arbeitnehmer auch dann zugehen, wenn dieser der deutschen Sprache nicht mächtig ist. Das gilt nicht nur für den Zugang des Arbeitsvertragsangebots, sondern auch für die Kündigung und – entsprechend – für den Zugang einer Abmahnung. Das gebietet die Rechtssicherheit.
Rz. 1378
Eine Sprache wird nicht als Vertragssprache, sondern als Leistungssprache relevant, wenn ihre Kenntnis ein Qualifikationsmerkmal für die geschuldete Tätigkeit ist. Dies kann bereits im Bewerbungsprozess relevant werden, etwa, wenn der Arbeitgeber in seiner Stellenausschreibung sehr gute Deutschkenntnisse voraussetzt. Der Arbeitnehmer hat seine Arbeitsleistung dann (auch) in einer bestimmten Sprache zu erbringen. Das Vorhandensein entsprechender Sprachkenntnisse kann sich ein Arbeitgeber vertraglich bestätigen lassen. Es liegt jedenfalls dann keine verbotene mittelbare Diskriminierung wegen der Rasse oder ethnischen Herkunft vor, wenn die Beherrschung der Fremdsprache einen hinreichenden Bezug zur Tätigkeit des Arbeitnehmers hat. Fehlen die Sprachkenntnisse und damit die fachliche Qualifikation, ist dies grds. ein personenbedingter Kündigungsgrund, vorausgesetzt die Erforderlichkeit der Sprachkenntnisse ist offensichtlich bzw. der Arbeitgeber kann sie darlegen. Im Rahmen der anzustellenden Interessenabwägung ist dann zu Ungunsten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, dass ihm aufgrund der Zusicherung der Sprachkenntnisse die große Bedeutung derselben für das Arbeitsverhältnis bewusst war. Es ist auch denkbar, die Leistungssprache während des laufenden Arbeitsverhältnisses zu ändern oder Anforderungen an Sprachkenntnisse anzupassen. Ist dies im Wege des Direktionsrechts nicht möglich, kommt eine Änderungs- bzw. Beendigungskündigung in Frage.