Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1459
Jeder Arbeitnehmer hat nach § 1 des Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) in jedem Kalenderjahr Anspruch auf bezahlen Erholungsurlaub. Zweck des Urlaubs ist die gesetzlich gesicherte Möglichkeit für einen Arbeitnehmer, die ihm eingeräumte Freizeit selbstbestimmt zur Erholung zu nutzen. Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindesturlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind. Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen hervorgehoben, dass der Anspruch jedes Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub ein besonders bedeutsamer Grundsatz des Sozialrechts der Gemeinschaft ist. Maßgeblich für die Gewährung von Urlaub ist in Deutschland das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Der gesetzliche Mindesturlaub beträgt 24 Werktage (§ 3 Abs. 1 BUrlG). Das BUrlG geht von sechs Werktagen pro Woche aus, so dass sich der gesetzliche Mindesturlaub auf vier Wochen beläuft. Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch ist unabdingbar und kann weder durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung noch durch Arbeitsvertrag zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Bei unbezahltem Sonderurlaub (etwa Sabbatical) entsteht kein gesetzlicher Urlaubsanspruch. Teilzeitbeschäftigte, die regelmäßig an weniger Arbeitstagen einer Woche als ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer beschäftigt sind, haben entsprechend der Zahl der für sie maßgeblichen Arbeitstage ebenso Anspruch auf Erholungsurlaub wie vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer. Nach § 4 BUrlG entsteht der volle Urlaubsanspruch erstmalig nach Ablauf einer sechsmonatigen Wartezeit. Für das Entstehen des Urlaubsanspruchs ist grundsätzlich allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses Voraussetzung. Das bedeutet, dass Urlaubsansprüche auch in einem ruhenden Arbeitsverhältnis entstehen können. Scheidet ein Arbeitnehmer während oder mit Ablauf dieser Wartezeit aus dem Arbeitsverhältnis aus, hat er lediglich einen Anspruch auf Teilurlaub nach § 5 BUrlG. Der Anspruch auf Teilurlaub entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens einen vollen Monat bestanden hat (§ 5 Abs. 1 BUrlG).
Rz. 1460
Der EuGH hat 2018 die Regelungen zur Übertragung von Urlaub ins nächste Jahr einem Wandel unterzogen. Nach § 7 Abs. 3 BurlG verfällt der Urlaubsanspruch zum Ende des Kalenderjahres. Das setzt jedoch voraus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in die Lage versetzt hatte, seinen Urlaubsanspruch auch tatsächlich wahrzunehmen. Es ist nicht erforderlich, dass der Arbeitgeber Urlaub von sich aus anordnet; er muss den Arbeitnehmer aber ausreichend über den Umfang seines Urlaubs und dessen möglichen Fortfall zum Jahresende unterricht haben.
Inhaltlich muss die Unterrichtung Folgendes enthalten:
(1) |
eine Information über die Zahl der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage, |
(2) |
die Aufforderung, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er noch im laufenden Urlaubsjahr genommen werden kann, |
(3) |
sowie einen unmissverständlichen Hinweis darauf, dass der Urlaub ersatzlos verfallen wird, wenn er innerhalb des Bezugszeitraums nicht genommen wird. |
Dabei genügt Textform, die Mitteilung muss lediglich hinreichend individuell sein. Es genügt also nicht, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer nur abstrakt auf die Folgen des Nicht- oder Nicht-Rechtzeitig-Beantragens hinweist. Nicht ausreichend ist auch, wenn die verbleibenden Urlaubstage in der Entgeltabrechnung ausgewiesen sind. Eine Unterrichtunng zu Beginn des 3. Quartals erscheint grundsätzlich sinnvoll. Sind Arbeitsverhältnis hinsichtlich der Arbeitszeit eher offen gestaltet, ist ein erneuter Hinweis mit einigem Abstand zum Jahresende geboten. Wenn das Arbeitsverhältnis sonst einem klar konturierten Arbeitzeitregime unterliegt (umfassende Urlaubspläne, engmaschige Arbeitszeiterfassung, Begleitung durch Betriebsräte), kann es genügen, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die notwendigen Informationen und Hinweise zu Beginn des Kalenderjahres gibt. Nicht erforderlich ist es, dass die Mitteilung ständig aktualisiert wird.
Erforderlich ist eine Information zu Beginn des neuen Jahres, wenn Urlaub aus dem Vorjahr übertragen wurde. Dieser "Alturlaub" ist gesondert auszuweisen und der Arbeitnehmer ist darüber zu belehren, dass dieser Urlaub bereits zum 31.3 verfallen wird. Fehlt es an einer Unterrichtung oder war diese unvollständig und unverständlich, erlischt der Urlaub nicht mit Ablauf des Bezugszeitraums. Es kann zu einer endlosen Kumulation von Urlaub kommen.
Rz. 1461
Der Urlaubsanspruch erlischt nicht, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder eines Übertragungszeitraums von drei Monaten nach diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig ist. Der Anspruch geht jedoch auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit nach Abla...