Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 564
Das in den §§ 387 ff. BGB geregelte Rechtsinstitut der Aufrechnung ist grundsätzlich auch auf Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis anwendbar.
Nach § 389 BGB führt die Aufrechnung dazu, dass sowohl die Hauptforderung, das ist die Forderung, gegenüber der der Aufrechnende die Aufrechnung erklärt, als auch die Gegenforderung, das ist die Forderung des Aufrechnenden gegen den Aufrechnungsempfänger, mit der die Aufrechnung erklärt wird, soweit sich die Forderungen aufrechenbar gegenüberstehen, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie sich erstmalig zur Aufrechnung geeignet einander gegenüber gestanden haben. Die Aufrechnung hat insoweit Erfüllungswirkung.
Rz. 565
Nicht um eine Aufrechnung handelt es sich bei Vorschuss- oder Abschlagszahlungen. Sowohl die Vorschusszahlung, die im Vorgriff auf einen noch nicht fälligen Vergütungsanspruch geleistet wird, als auch die Abschlagszahlung, die eine Teilzahlung auf einen bereits fälligen Vergütungsanspruch darstellt, bewirken unmittelbar die Erfüllung des Vergütungsanspruches, so dass für eine Aufrechnungslage kein Raum ist. Ebenfalls nicht um eine Aufrechnung geht es bei der sog. Vergütungseinbehaltung, bei der der Arbeitgeber aufgrund besonderer vertraglicher Vereinbarung oder sonstiger Rechtsgründe berechtigt ist, einen Teil der Vergütung einzubehalten und anderweitig zu verwenden. Auch die Anrechnung anderweitigen Einkommens auf den Vergütungsanspruch, zu der der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften, z.B. § 615 S. 2 BGB (Anrechnung anderweitig erzielten Verdienstes beim Arbeitgeberannahmeverzug), § 326 Abs. 2 BGB (Anrechnung bei verschuldeter Unmöglichkeit der Arbeitsleistung), § 74c HGB (Anrechnung anderweitigen Verdienstes auf eine Karenzentschädigung) oder § 616 Abs. 1 S. 2, § 617 Abs. 1 S. 3 BGB (Anrechnung von Sozialleistungen auf Entgeltfortzahlungsansprüche bei Arbeitsverhinderung), berechtigt oder sogar verpflichtet sein kann, stellt keine Aufrechnung dar, sondern bewirkt von Gesetzes wegen eine Anspruchskürzung. Schließlich bildet auch die Realisierung der gesetzlichen Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer und des Arbeitnehmeranteils an den Sozialversicherungsbeiträgen keinen Fall der Aufrechnung. Auf diese Rechtsinstitute finden daher auch die einschränkenden Bestimmungen für die Zulässigkeit einer Aufrechnung keine Anwendung.
Rz. 566
Damit eine Aufrechnung gemäß § 389 BGB Erfüllungswirkung entfaltet, müssen sowohl personenbezogene als auch gegenstandsbezogene Voraussetzungen erfüllt sein. Außerdem bedarf es einer Aufrechnungserklärung. Die Aufrechnung darf schließlich nicht verboten sein oder gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstoßen.
Rz. 567
Die personenbezogenen Voraussetzungen einer Aufrechnung ergeben sich aus dem Erfordernis der Gegenseitigkeit der Forderungen. Danach muss grundsätzlich eine wechselseitige Personenidentität im Hinblick auf die Haupt- und die Gegenforderung zwischen Gläubiger und Schuldner in Bezug auf den Aufrechnenden und den Aufrechnungsempfänger bestehen. Der Aufrechnende muss daher zugleich Schuldner der Hauptforderung und Gläubiger der Gegenforderung sein. Umgekehrt muss der Aufrechnungsempfänger Gläubiger der Hauptforderung und Schuldner der Gegenforderung sein. Die Gegenseitigkeit ist zwar im Verhältnis des Vergütungsanspruches des Arbeitnehmers mit einem Erstattungsanspruch des Arbeitgebers wegen fehlerhaft berechneter und daher nachträglich vom Finanzamt eingeforderter Lohnsteuer, nicht aber im Verhältnis zum Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers aufgrund eines durchgeführten Lohnsteuerjahresausgleiches gegeben.
Nur ausnahmsweise kommt eine Aufrechnung auch bei nicht bestehender Personenidentität nach § 406 BGB in Betracht, wenn der Aufrechnungsempfänger die Forderung vor Erklärung der Aufrechnung an einen Dritten abgetreten hat und der Schuldner der Hauptforderung, also der Aufrechnende, beim Erwerb der Gegenforderung von der Abtretung keine Kenntnis gehabt hat und seine Gegenforderung erst nach Erlangung der Kenntnis von der Abtretung und später als die abgetretene Hauptforderung fällig geworden ist. Im Arbeitsverhältnis kann diese Situation insbesondere im Zusammenhang mit der Vorausabtretung von Arbeitsentgeltansprüchen durch den Arbeitnehmer an Dritte auftreten. Mit dieser Regelung wird dem Schuldner die Aufrechnungsbefugnis erhalten, wenn die Aufrechnungslage bereits bestanden hat, als der Schuldner von der Abtretung Kenntnis erlangt hat oder wenn sich aus der bei Kenntniserlangung bereits bestehenden Rechtslage ohne die Abtretung bis zur Fälligkeit der abgetretenen Forderung eine Aufrechnungslage entwickelt hätte.
Rz. 568
Die gegenständlichen Anforderungen an die Aufrechnungslage ergeben sich aus dem Gebot der Gleichartigkeit der wechselseitigen Forderungen in § 387 BGB. Die Gleichartigkeit ist regelmäßig nur bei Geld- oder Gattungsschulden gegeben, wobei im Arbeitsverhältnis letzteres kaum eine Rolle spielt. W...