Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 795
Wesensmerkmal eines jeden Arbeitsverhältnisses ist das Recht des Arbeitgebers, dem Arbeitnehmer arbeitsleistungsbezogene und die Ordnung bzw. das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb betreffende Weisungen zu erteilen. Dieses Recht wird als Direktionsrecht oder Weisungsrecht des Arbeitgebers bezeichnet und ist in § 106 GewO gesetzlich normiert. § 611a Abs. 1 S. 2 BGB bestätigt das arbeitgeberseitige Direktionsrecht durch die Formulierung, dass das Weisungsrecht sich auf Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit des Arbeitnehmers beziehen kann. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht begründet die Unselbständigkeit der Leistungserbringung in einem Arbeitsverhältnis und gibt dem Arbeitsverhältnis in Abgrenzung zu einer selbständigen Tätigkeit sein Gepräge. Es bildet im Bereich des Sozialversicherungsrechts darüber hinaus das wesentliche Kriterium zur Abgrenzung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung von einer sozialversicherungsfreien Tätigkeit.
Nach diesen Vorschriften kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt oder begrenzt sind. Im Rahmen der durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung sowie durch arbeitsvertragliche Regelung gezogenen Grenzen kann der Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechtes die arbeitsvertragliche Leistungspflicht des Arbeitnehmers unter Beachtung billigen Ermessens gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach Zeit, Ort und Art festlegen. Der Arbeitgeber kann allerdings nicht mittels einseitiger Ausübung des Direktionsrechtes die vereinbarte Arbeitsvergütung ändern, insbesondere herabsetzen.
Auch der Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung kann durch den Arbeitgeber nicht mittels einseitiger, auf das Direktionsrecht gestützter Weisung dauerhaft verändert, also verringert oder erweitert werden. Daher ist die Anordnung von Kurzarbeit im Wege des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts nicht möglich. Anders verhält es sich bei vorübergehenden Änderungen etwa durch die Anordnung von Überstunden und insbesondere die Festlegung der Lage der Arbeitszeit innerhalb des arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeitvolumens.
Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer mit dem Instrument des Direktionsrechts zur Teilnahme an Personalgesprächen zwingen, die sich auf Themen beziehen sollen, die mittels arbeitgeberseitigen Direktionsrechts umgesetzt werden können, also insbesondere zu Fragen von Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung, nicht aber zu Themen, die ihrerseits nicht mittels des Direktionsrechtes umgesetzt werden können, insbesondere nicht dazu dienen, die arbeitsvertraglichen Leistungs- und Verhaltenspflichten des Arbeitnehmers zu konkretisieren. Das Direktionsrecht erstreckt sich auch auf das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb und die Ordnung im Betrieb. Der Arbeitgeber kann deshalb z.B. Weisungen zu Rauchverboten, zum Mitbringen von Tieren an den Arbeitsplatz und zur Nutzung von Unterhaltungselektronik im Betrieb treffen.
Rz. 796
Die gesetzlichen Grenzen des arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes werden zum einen durch strafrechtliche, ordnungswidrigkeitenrechtliche und öffentlich-rechtliche Vorschriften begründet. Der Arbeitgeber ist aufgrund seines Direktionsrechtes nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer Anweisungen zu erteilen, die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begründen würden. Unzulässig ist es danach z.B., gegenüber einem Berufskraftfahrer Arbeitszeiten anzuordnen, die zu einer Überschreitung der gesetzlichen Lenkzeitobergrenzen führen oder die gegen ein gesetzliches Sonntagsfahrverbot verstoßen. Ebenso unzulässig wäre eine Weisung gegenüber einem Berufsfußballspieler, ein Fußballspiel absichtlich zu verlieren, wenn dies zum Zweck der Wettmanipulation geschieht. Einschränkungen des Direktionsrechtes finden sich auch in arbeitsrechtlichen Schutzgesetzen, z.B. in den Bestimmungen über Arbeitszeitgrenzen im ArbZG, in den Regelungen über Arbeitsverbote bei Schwangerschaft in den §§ 4 bis 6 MuSchG oder in Regelungen, die dem Schutz jugendlicher Arbeitnehmer dienen (vgl. § 22 JArbSchG). Einer schwangeren Arbeitnehmerin, die einem Beschäftigungsverbot unterliegt, können allerdings zumutbare Ersatztätigkeiten, die von dem Beschäftigungsverbot nicht berührt sind, zugewiesen werden. Zu berücksichtigen sind in diesem Zusammenhang auch berufsgenossenschaftliche Unfallverhütungsvorschriften, technische Arbeitssicherheitsvorschriften etc.
Rz. 797
Die Einschränkung des Direktionsrechtes des Arbeitgebers kann sich auch daraus ergeben, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht durch die Arbeitgeberweisung in einen vom Arbeitnehmer nachvollziehbar dargelegten, ernsthaften und für den Arbeitnehmer unvermeidbaren Gewissenskonflikt bringen darf, weil der Arbeitgeber dadurch grundrechtlich gewährleistete...