Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1587
Sprache ist das wohl wichtigste Instrument der zwischenmenschlichen Kommunikation – auch im Arbeitsverhältnis. Mit der Verwendung dieses Kommunikationsinstrumentes ist naturgemäß die Gefahr gegenseitigen Fehl- oder Missverstehens verbunden, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedliche Sprachen sprechen. Denkbar ist dies nicht nur bei der Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer, sondern auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber nicht der deutschen Sprache mächtig ist, wie dies bei Tochtergesellschaften ausländischer Konzerne durchaus der Fall sein kann.
Rechtliche und tatsächliche Probleme können in diesem Zusammenhang in den unterschiedlichsten Gestaltungen auftreten.
aa) Sprachprobleme bei Abschluss des Arbeitsvertrages
Rz. 1588
Als Erstes stellt sich das Sprachproblem im Zusammenhang mit Verhandlungen über und mit dem Abschluss von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen. In Deutschland werden Arbeitsvertragsverhandlungen auch mit ausländischen Arbeitnehmern typischerweise in deutscher Sprache geführt und Arbeitsverträge in deutscher Sprache geschlossen. Denkbar sind aber auch Fallkonstellationen, in denen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Ausland anwirbt, die Verhandlungen dort in ausländischer Sprache führt und der Arbeitsvertrag anschließend in deutscher Sprache abgefasst wird. In späteren Auseinandersetzungen über den Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrages, z.B. über die Wirksamkeit einer einzelvertraglichen Ausschlussklausel, kann es zum Streit darüber kommen, ob bestehende Sprachprobleme der Wirksamkeit der in deutscher Sprache vereinbarten Klausel entgegenstehen. Zeigen sich bei Vertragsverhandlungen sprachbedingte Kommunikationsschwierigkeiten, ist zur Vermeidung späterer Streitigkeiten dringend zu empfehlen, zu den Verhandlungen eine geeignete Übersetzungsperson beizuziehen. Alternativ kommt in Betracht, die Vertragsverhandlungen unter paraleller Verwendung einer Übersetzung des Vertragstextes in der Muttersprache des ausländischen Arbeitnehmers zu führen. In diesem Fall muss allerdings klargestellt werden, welche der unterschiedlichen Vertragsfassungen im Zweifelsfall Vorrang genießt.
Hat der Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag oder eine spätere Ergänzungs- oder Änderungsvereinbarung, ggf. auch eine Ausgleichsquittung, die jeweils in deutscher Sprache abgefasst waren, ungelesen unterzeichnet oder erfolgt die Unterzeichnung, obwohl der Arbeitnehmer den Text des Arbeitsvertrages oder der sonstigen Vereinbarung zwar gelesen, aber aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht verstanden hat, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des Vertragsschlusses. Der Zugang einer schriftlichen Willenserklärung, also auch eines Arbeitsvertragsangebotes bzw. eines Änderungs- oder Ergänzungsangebotes, erfolgt nämlich mit dem Eintritt der Willenserklärung in den Machtbereich des Empfängers, also des Arbeitnehmers, so dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, unabhängig davon, ob der Empfänger den Inhalt tatsächlich verstanden hat. Die entsprechende deutschsprachige Vertragserklärung geht dem ausländischen Arbeitnehmer daher mit Vorlage zur Unterzeichnung nach § 130 Abs. 1 BGB zu. Auf das tatsächliche Verständnis des Erklärungsempfängers kommt es nicht an, weil die Möglichkeit der Kenntnisnahme nach den gewöhnlichen Verhältnissen für den erforderlichen Zugang der Willenserklärung ausreichend ist. Individuell fehlende Sprachkenntnisse stellen einen allein in der Person des Erklärungsempfängers liegenden und daher unbeachtlichen Umstand dar.
Die Unterzeichnung des Vertrages durch den Erklärungsempfänger ist alsdann als Annahme des gesamten Vertragsinhaltes auszulegen. Der Vertrag kommt grundsätzlich mit dem in ihm in deutscher Sprache ausgewiesenen Inhalt zustande. Maßgeblich ist insoweit der Verständnishorizont eines verobjektivierten Erklärungsempfängers, also eines durchschnittlichen Arbeitgebers. Dieser darf die Unterzeichnung des Vertrages regelmäßig als Annahmeerklärung verstehen. Der Arbeitgeber, der mit einem ausländischen Arbeitnehmer Vertragsverhandlungen führt und einen Arbeitsvertrag schließt, kann sich nämlich nach der insoweit maßgeblichen Verkehrserwartung grundsätzlich darauf verlassen, dass sein Verhandlungspartner mit der Unterzeichnung seine Zustimmung zu dem Vertragsinhalt und dessen vertraglich bindender Wirkung erklären will. Dies ist selbst dann anzunehmen, wenn der Arbeitgeber positiv weiß oder aufgrund Fahrlässigkeit nicht weiß, dass sein ausländischer Verhandlungspartner die deutsche Sprache nicht in einer für das Verständnis des Vertragsinhaltes erforderlichen Weise beherrscht. Gleiches soll auch dann gelten, wenn die Vertragsverhandlungen zuvor in der ausländischen Sprache und sogar im Heimatland des Arbeitnehmers geführt worden sind, der Vertrag aber anschließend in deutscher Sprache abgefasst ist. Ein ausländischer Arbeitnehmer, der sich in einem deutschen Unternehmen im Inland um einen Arbeitsplatz bewirbt, muss damit rechnen, dass in dem Unternehmen die deutsche Sprache Verwendung fin...