Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 174
Die §§ 305 ff. BGB sind auf Arbeitsverträge anwendbar. Dies folgt aus dem Wegfall der ehemals in § 23 Abs. 1 AGBG normierten arbeitsrechtlichen Bereichsausnahme, die diese Vertragswerke noch ausdrücklich aus dem Geltungsbereich des AGB-Gesetzes ausnahm. Gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist bei der Anwendung auf Arbeitsverträge allerdings den "im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten" angemessen Rechnung zu tragen (siehe dazu Rdn 198 ff.). Dies kann im Einzelfall zu modifizierten Kontrollmaßstäben bei der Inhaltskontrolle führen. Das ist bei der Frage, ob die zu sonstigen zivilrechtlichen Verträgen ergangene Rechtsprechung auf Arbeitsverträge übertragbar ist, im Auge zu behalten. Für sonstige, lediglich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis abgeschlossene Verträge, gilt diese Einschränkung nicht. Das AGB-Recht findet deshalb z.B. auf Kaufverträge über Werkwagen uneingeschränkte Anwendung. Werden Regelungen allerdings gerade in Hinblick auf das Arbeitsverhältnis vereinbart, z.B. in Darlehensverträgen zur Finanzierung von Ausbildungsmaßnahmen oder Dienstwagenordnungen, sind auch sie Arbeitsverträge i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB. Gleiches gilt grundsätzlich für Verträge mit arbeitnehmerähnlichen Personen. Einer AGB-Kontrolle unterliegen auch Aufhebungsverträge, doch ist dort der Kontrollumfang umstritten. Kirchliche Arbeitsvertragsrichtlinien unterliegen ebenso einer Überprüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB.
Rz. 175
Keine Anwendung finden die §§ 305 ff. BGB dagegen auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen (§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB). Diese Kollektivvereinbarungen unterliegen selbst keiner (unmittelbaren) AGB-Kontrolle. Insoweit besteht die alte Bereichsausnahme fort. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die in einem Arbeitsvertrag enthaltene Bezugnahme auf diese Vereinbarungen die Tür zu einer (mittelbaren) Kontrolle der kollektiven Regelungen am Maßstab der §§ 305 ff. BGB zu öffnen vermag. Pauschale Antworten verbieten sich hier. Eine Lösung dieses Problems hat zwei Überlegungen zu berücksichtigen. Zum einen darf Kontrollfreiheit nur dort herrschen, wo die Richtigkeitsgewähr für den Inhalt der kollektiven Vereinbarung (fort-) besteht. Zum anderen folgt aus der Gleichstellungsanordnung des § 310 Abs. 4 S. 3 BGB, wonach diese Kollektivvereinbarungen Rechtsvorschriften i.S.v. § 307 Abs. 3 BGB gleichstehen, dass eine Inhaltskontrolle nur bei Abweichungen bzw. Ergänzungen dieser Regelungen möglich sein soll.
Rz. 176
Man muss deshalb unterscheiden: Bei einer Globalverweisung, d.h. der Bezugnahme auf einen gesamten Tarifvertrag, verbietet sich solange eine Kontrolle der tarifvertraglichen Regelungen, wie auf den einschlägigen Tarifvertrag verwiesen wird. Andernfalls würde das in § 310 Abs. 4 S. 1 BGB angeordnete Kontrollverbot von Tarifverträgen leer laufen. Eine mittelbare Tarifzäsur wäre die Folge. Ob die in Bezug genommenen Tarifregelungen zumindest einer Transparenzkontrolle gem. § 307 Abs. 3 S. 2 BGB i.V.m. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unterliegen, ist umstritten. Das BAG verneint dies jedenfalls bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers und wenn im Arbeitsvertrag auf denjenigen Tarifvertrag Bezug genommen wird, der für den Arbeitgeber kraft seiner Tarifbindung gilt. Dies gelte unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Gewerkschaftsmitglied ist oder der Tarifvertrag allein kraft Bezugnahme Wirkung für das Arbeitsverhältnis entfaltet.
Rz. 177
Die Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages endet aber dort, wo auf einen Tarifvertrag verwiesen wird, der selbst bei beiderseitiger Tarifgebundenheit nicht auf das Arbeitsverhältnis anwendbar wäre. Bei der Bezugnahme auf branchen- oder ortsfremde Tarifverträge bleibt eine Inhaltskontrolle damit möglich. Dasselbe gilt bei einer Einzelverweisung auf eine tarifvertragliche Bestimmung. Umstritten ist die Behandlung von Verweisungen auf zusammengehörige Regelungskomplexe eines Tarifvertrages (sog. Teilverweisung). Das BAG erkennt den Ausschluss der AGB-Kontrolle grds. auch bei derartigen Verweisungen an: In einem Fall, in dem der Arbeitgeber die (einschlägigen) tariflichen Regelungen nur betreffend eine Sonderzuwendung einschließlich der Rückzahlungsbedingungen in Bezug nahm und diese Inbezugnahme auch nicht auf Dauer, sondern nur auf eine einmalige Leistung beschränkt erfolgte, unterstellte das BAG die Vorschriften zwar der Inhaltskontrolle. Späteren Entscheidungen zufolge sollen die in Bezug genommenen (einschlägigen) Tarifbestimmungen dagegen dann kontrollfrei bleiben, wenn diese "ein geschlossenes Regelungssystem" enthalten. Zuletzt ließ das Gericht den Umgang mit Teilverweisungen jedoch wieder offen.
Rz. 178
Wird in einem Arbeitsvertrag auf Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen Bezug genommen, unterliegt diese Bezugnahmeklausel selbst der vollen AGB-Kontrolle. Für sie gilt nichts anderes als für sonstige arbeitsvertragliche Regelungen. Die Ausnahmevorschrift des § 310 Abs. 4 S. 1 BGB findet keine Anwen...