Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 898
Im Schrifttum wurden Freiwilligkeitsvorbehalte betreffend das Arbeitsentgelt im engeren Sinne im Anschluss an ein Urteil des 5. Senats aus dem Jahr 2007 ganz überwiegend für unzulässig erachtet. Sowohl Bestandteile des Grundgehalts als auch zusätzliche regelmäßige Zahlungen, mit denen der Arbeitgeber die Arbeitsleistung abgelten möchte, sollten nicht wirksam mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verbunden werden können. Der Umfang der jeweiligen Leistung war dabei unerheblich. Jüngeren Entscheidungen des 10. Senats zufolge soll es für die Wirksamkeit eines Freiwilligkeitsvorbehalts weder auf den vom Arbeitgeber mit der Leistung verfolgten Zweck – Honorierung der Betriebstreue oder Abgeltung der Arbeitsleistung – noch auf die Höhe der Zahlung ankommen. Selbst Arbeitsentgelt im engeren Sinn kann somit freiwillig gewährt werden und zwar ungeachtet der Höhe der Zahlung bzw. ihres prozentualen Anteils an der Gesamtvergütung. Die bei Widerrufsvorbehalten bestehende Unantastbarkeit des Kernbereiches (vgl. dazu Rdn 1704 f.) existiert beim Freiwilligkeitsvorbehalt nicht. In materieller Hinsicht soll allein der Auszahlungszeitpunkt über die Zulässigkeit der freiwilligen Leistung entscheiden: Nicht bei laufendem Arbeitsentgelt, sondern nur bei zeitlich davon getrennten Sonderzahlungen kann ein Arbeitgeber den Rechtsanspruch auf die Leistung ausschließen.
Rz. 899
Wo die Grenze zwischen Sonderzahlung und laufendem Arbeitsentgelt verläuft, ist offen. Nach Ansicht des BAG ist eine allgemeingültige Abgrenzung nicht möglich. Bis eine Konkretisierung durch die Gerichte erfolgt, stehen deshalb nur die äußeren Grenzen fest: Erfolgt die Vergütung monatlich, ist die einmal im Jahr gewährte Zusatzvergütung als Sonderzahlung zu qualifizieren, die ebenfalls monatlich ausgezahlte zusätzliche Leistung dagegen als laufendes Arbeitsentgelt. Zahlungen, die aus einem bestimmten Anlass, z.B. einem Jubiläum oder an Weihnachten, erfolgen, sind stets Sonderzahlungen. Bei ihnen kommt es nicht darauf an, in welchen Intervallen das laufende Arbeitsentgelt gezahlt wird.
Rz. 900
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt, der alle zukünftigen Leistungen unabhängig von ihrer Art und ihrem Entstehungsgrund erfasst ("Generalvorbehalt"), soll Arbeitnehmer regelmäßig unangemessen benachteiligen und deshalb unwirksam sein. Der 10. Senat hat Bedenken daran geäußert, ob ein allgemeiner Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag überhaupt das Entstehen eines Anspruchs verhindern kann, wenn später Leistungen – ggf. über einen längeren Zeitraum – vorbehaltslos erbracht werden. Jedenfalls dürften vertraglich vereinbarte Freiwilligkeitsvorbehalte sich nicht auf das laufende Arbeitsentgelt erstrecken und wegen § 305b BGB keine ausdrücklichen vertraglichen Einzelabreden erfassen. Für die Praxis empfiehlt sich ein zweistufiges Vorgehen: Im Arbeitsvertrag sollte ein allgemeiner Freiwilligkeitsvorbehalt verankert werden, der sich auf Sonderleistungen beschränkt und Individualabreden den Vorrang belässt. Darüber hinaus sollte bei jeder späteren Gewährung einer "freiwilligen" Sonderleistung erneut ein konkreter Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt bzw. auf den vertraglich formulierten Vorbehalt Bezug genommen werden.