Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 608
Ausschlussfristen müssen nicht auf Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" begrenzt werden. Bezieht sich die Klausel auf Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis "in Verbindung stehen", werden alle Ansprüche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen. Andererseits müssen Ausschlussfristen keinesfalls alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Die Formulierung "vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" interpretiert das BAG dahingehend, dass Ansprüche aus Schadensersatz nicht erfasst sind und zwar gleichgültig, ob sie auf §§ 823 ff. BGB beruhen oder der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Sollen nach dem Wortlaut der Ausschlussklausel alle "gegenseitigen Ansprüche" verfallen, werden dadurch nicht nur synallagmatische Ansprüche, sondern ebenso Ansprüche erfasst, die nicht von einer Gegenleistung abhängen. Unproblematisch können Ausschlussklauseln einzelvertragliche und abdingbare gesetzliche Rechte erfassen. Das BAG lässt daneben auch den Verfall unabdingbarer gesetzlicher Ansprüche zu. Im Schrifttum ist dies umstritten. Gemeint sind Ansprüche aus zwingendem Recht, von denen der Arbeitgeber nicht zulasten des Arbeitnehmers abweichen kann (siehe dagegen Rdn 609 zu unverzichtbaren Ansprüchen). Die Unabdingbarkeit des Entgeltfortzahlungsanspruchs gem. § 12 EFZG steht seinem Verfall etwa nicht entgegen. Der Grund liegt darin, dass Ausschlussfristen nicht die Entstehung und den Inhalt der Rechte des Arbeitnehmers regeln, sondern lediglich ihren zeitlichen Bestand, mit anderen Worten: Der Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht zunächst und dies in voller Höhe; erst in der Folge geht er aufgrund nicht fristgemäßer Geltendmachung wieder unter. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann nach Aufgabe der Surrogatstheorie ebenfalls selbst hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs einer Ausschlussfrist unterworfen werden.
Rz. 609
Auf eine Reihe von Ansprüchen kann ein Arbeitnehmer nicht wirksam verzichten (unverzichtbare Ansprüche). Solche Ansprüche können auch nicht einer Ausschlussklausel unterworfen werden. So darf eine Ausschlussklausel etwa die Haftung wegen Vorsatzes nicht verkürzen. Das folgt aus §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB. Das Verbot, einem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus zu erlassen, würde leerlaufen, ließe man Ausschlussfristen für Ansprüche aus Vorsatzhaftung zu. Ansprüche eines Arbeitnehmers, die auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, können durch eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht werden (§ 77 Abs. 4 S. 4 BetrVG). Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nach § 4 Abs. 4 S. 3 TVG wirksam nur in einem Tarifvertrag vereinbart werden. Sperrwirkung gegenüber einzelvertraglichen Ausschlussklauseln entfaltet diese Bestimmung nach zutreffender Ansicht allerdings nur im Fall beiderseitiger Tarifgebundenheit. Ihr Schutzzweck ist auf kollektivrechtlich begründete Rechte beschränkt. Gelten tarifliche Rechte in einem Arbeitsverhältnis dagegen allein aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme, werden diese Rechte von einer arbeitsvertraglichen Ausschlussklausel mit umfasst. Unverzichtbar ist auch der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn (vgl. § 3 S. 1 MiLoG).
Rz. 610
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob solche unverzichtbaren Ansprüche zur Vermeidung der Unwirksamkeit der Klausel (ausdrücklich) vom Geltungsbereich der Ausschlussklausel ausgenommen werden müssen. Nach bisheriger Ansicht des BAG war eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags vereinbarte Ausschlussfrist regelmäßig dahin auszulegen, dass sie nur die von den Parteien für regelungsbedürftig gehaltenen Fälle erfasst. Ohne besondere Hinweise im Einzelfall sei eine Anwendung auch auf die Fälle, die durch zwingende gesetzliche Verbote oder Gebote geregelt sind, regelmäßig gerade nicht gewollt. Ansprüche aus Vorsatzhaftung (§§ 202 Abs. 1 BGB, 276 Abs. 3 BGB oder § 104 I SBG VII) seien deshalb von einer vertraglich vereinbarten Ausschlussklausel nicht erfasst. Gleiches gelte für Schadenersatzansprüche aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit. Damit verstoßen Ausschlussfristen weder gegen § 309 Nr. 7a) BGB noch gegen § 309 Nr. 7b) BGB. Erstrecke sich die Ausschlussfrist auf einen unverzichtbaren Anspruch, führe dies ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist. Ausschlussklauseln seien hinsichtlich der Art der erfassten Ansprüche teilbar. Zu weit reichende Klauseln seien deshalb nicht insgesamt unwirksam, sondern im Rahmen des § 139 BGB lediglich teilnichtig. Ein Verstoß gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion liege darin nicht.
Rz. 611
Diese Rechtsprechung des BAG steht seit Langem und insbesondere seit Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes in der Kritik. Das BAG selbst hält Ausschlussfristen in Neuverträgen jedenfalls dann für insgesamt unwirksam, wenn sie Mindestlohnan...