Rz. 1087

Eine gesetzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Leistung von Überstunden besteht grds. nicht. Wird die Verpflichtung zur Leistung von Überstunden daher nicht auf individual- oder kollektivvertraglicher Ebene begründet, ist der Arbeitnehmer nur in Notfällen oder unter sonst außergewöhnlichen Umständen zur Erbringung von Überstunden verpflichtet.[2441] Die Anordnung von Überstunden ist insbesondere nicht bereits auf der Grundlage arbeitgeberseitigen Direktionsrechtes möglich, da dieses nur innerhalb des Rahmens der bestehenden arbeitsvertraglichen Verpflichtungen besteht; dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag Regelungen zur Vergütung von erbrachten Überstunden beinhaltet.[2442]

 

Rz. 1088

Die Verpflichtung zur Erbringung von Überstunden muss daher, sofern nicht entsprechende kollektivrechtliche Regelungen bestehen, arbeitsvertraglich vereinbart werden. Fehlt eine solche Vereinbarung, ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, einer Überstundenanordnung des Arbeitgebers Folge zu leisten; er kann zudem einen Anspruch auf Unterlassung der unberechtigten Anordnung geltend machen.[2443] Bei wirksamer Vereinbarung einer Anordnungsbefugnis im Arbeitsvertrag ist der Arbeitgeber demgegenüber berechtigt, den Arbeitnehmer jederzeit und ohne Einhaltung einer Ankündigungsfrist zur Leistung von Überstunden anzuweisen.[2444]

 

Rz. 1089

In Formularverträgen unterliegt die Vereinbarung einer Anordnungsbefugnis des Arbeitgebers der gesetzlichen Inhaltskontrolle.[2445] Zwar ist der Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit als Bestandteil der Leistungsbeschreibung einer Angemessenheitskontrolle entzogen, nicht aber eine Vertragsbedingung, die eine einseitige Modifikation dieser Leistungsbeschreibung ermöglichen soll.[2446] Problematisch sind daher Regelungen, die dem Arbeitgeber ohne weitere Einschränkung die Befugnis zur unbegrenzten Anordnung von Überstunden einräumen, ohne dass der Arbeitnehmer die Voraussetzungen und den Umfang seiner Überstundenverpflichtung konkret abschätzen kann. Ob eine bedingungslose Verpflichtung zur Leistung von Überstunden der Inhaltskontrolle standhält, ist daher zumindest zweifelhaft.[2447] Zu empfehlen ist deshalb, die Gründe für die Anordnung von Überstunden sowie deren zeitlichen Umfang zu bestimmen.[2448] Dass der Arbeitgeber bei der Anordnung von Überstunden auch die berechtigten Belange des Arbeitnehmers zu berücksichtigen hat, ergibt sich bereits aus § 315 BGB i.V.m. § 106 GewO.[2449]

[2441] ArbG Leipzig 4.2.2003 – 7 Ca 6866/02, NZA-RR 2003, 365; Schreiner/Kuhn, ArbRB 2009, 153; Thüsing/Leder, BB 2005, 1563; Schrader/Schubert, NZA-RR, 2005, 225.
[2442] Küttner/Poeche, Überstunden Rn 5; Hümmerich/Rech, NZA 1999, 1132.
[2445] LAG Hamm 11.7.2007 – 6 Sa 410/07, juris; Lakies, AR-Blattei SD 35.
[2446] Preis, NZA 2006, Beilage 3, 115.
[2447] Worzalla, NZA 2006, Beilage 3, 122.
[2448] Hromadka/Schmitt-Rolfes, S. 79.
[2449] BAG 28.11.1984 – 5 AZR 195/83, DB 1985, 183; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn 663.

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