Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1051
Die Frage, ob Kurzarbeitsklauseln in Arbeitsverträgen grundsätzlich zulässig sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt. In ihnen liegt die einseitige arbeitgeberseitige Befugnis zum – wenn auch nur temporären – Eingriff in die gegenseitigen Hauptleistungspflichten, was angesichts des Umstandes, dass das Betriebsrisiko grundsätzlich beim Arbeitgeber liegt, bedenklich ist. Die Rechtsprechung hat bereits in mehreren Fällen Bestrebungen der Arbeitgeber, Teile des Betriebsrisikos auf den Arbeitnehmer zu verlagern, eng eingegrenzt. So sind beispielsweise Widerrufsklauseln zur Flexibilisierung der Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen engen Grenzen unterworfen. Würde man diese Grundsätze auf das Thema Kurzarbeit anwenden, so wäre eine Absenkung der Arbeitszeit und damit einhergehend des Arbeitsentgelts um maximal 20 % möglich ("Absenkung von oben nach unten").
Rz. 1052
Die Rechtsprechung des BAG zu einseitigen Widerrufs- und Flexibilisierungsklauseln ist aber auf eine Klausel zu Kurzarbeit nicht anzuwenden. Arbeitsvertragsklauseln, die das unternehmerische Risiko verlagern, sind zwar grundsätzlich Gegenstand der Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB. Bei dem Konstrukt der Kurzarbeit handelt es sich aber um Besonderheiten des Arbeitsrechts, die angemessen gemäß § 310 Abs. 4 S. 2 BGB bei der Anwendung der Kontrollinstrumente zu berücksichtigen sind. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die "Besonderheiten des Arbeitsrechts" i.S.d. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB ist die objektiv-tatbestandlich bestehende besondere vorübergehende betriebliche Situation, in der der Arbeitnehmer sozialrechtlich Entgeltersatzleistungen in Anspruch nehmen kann und deswegen der Arbeitgeber berechtigt ist, Kurzarbeit anzuordnen. Auch wenn diese sozialrechtlichen Regelungen keinen unmittelbaren arbeitsrechtlichen Durchschlag finden, definiert der Gesetzgeber doch in den §§ 95 ff. SGB III eine Situation, in der der Arbeitgeber sich nach der grundsätzlichen Wertung des Gesetzgebers in einer Ausnahmesituation befindet, die typischerweise nur im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses eintreten kann. In dieser gesetzlich bestimmten Situation gibt es also "Besonderheiten", für die das Recht ein "Kriseninstrument" zur Verfügung stellt. Der Gesetzgeber hat damit die grundlegende Wertung getroffen, das Betriebsrisiko in dieser Situation nicht einseitig beim Arbeitgeber zu belassen. Dies rechtfertigt, aufgrund der arbeitsrechtlichen Besonderheiten die durch die Rechtsprechung konkretisierten Grenzen von Änderungsvorbehalten in der betrieblichen Situation der Kurzarbeit nicht anzuwenden.
Rz. 1053
Kein maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Besonderheiten des Arbeitsrechts kann dagegen die Frage sein, ob der konkrete Arbeitnehmer berechtigt ist, Kurzarbeitergeld in Anspruch zu nehmen. Denn der Gesetzgeber will lediglich einen bestimmten Einkommens-Mindeststandard in einer definierten, objektiv vorliegenden Ausnahmesituation wahren. Die Wertung des Gesetzgebers, ob der individuelle Arbeitnehmer aufgrund seiner Einkommenslage schutzbedürftig ist oder nicht, hat deshalb nichts mit der objektiv im Betrieb vorliegenden Situation zu tun, an die auch die Berechtigung des Arbeitgebers, überhaupt Kurzarbeit anordnen zu dürfen, anknüpft. Aus diesem Grunde ist es nicht notwendig, im Rahmen der arbeitsvertraglichen Kurzarbeits-Klausel festzulegen, dass Kurzarbeit individuell nur dann angeordnet werden darf, wenn der Arbeitnehmer auch berechtigt ist, Kurzarbeitergeld zu beziehen.
Rz. 1054
Um den Besonderheiten des Arbeitsrechts hinreichend Rechnung zu tragen und nicht unter dem Vorwand, die besondere Situation der Kurzarbeit regeln zu wollen, das Betriebsrisiko unbillig zu verschieben, muss eine wirksame Vertragsklausel vor dem Hintergrund der §§ 307, 310 BGB jedoch die betriebliche Situation, in der der Arbeitgeber berechtigt sein soll, die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt zu vermindern, objektiv definieren und den Umfang der möglichen Kurzarbeit festlegen. Es bietet sich hierzu die Definition des Gesetzgebers in den §§ 95–103 SGB III an, konkret ein "erheblicher Arbeitsausfall" gemäß § 96 Abs. 1 SGB III. Darüber hinaus muss zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung (§ 307 Abs. 2 BGB) ein Einkommensausgleich für den Fall enthalten sein, dass Kurzarbeitergeld nicht gezahlt wird. Schließlich muss die Klausel eine Ankündigungsfrist vorsehen.
Rz. 1055
Die Anordnung der Kurzarbeitsklausel im Arbeitsvertrag muss berücksichtigen, dass der Arbeitsvertrag gemäß § 305c Abs. 1 BGB auch einer Transparenzkontrolle unterliegt. Da die Kurzarbeitsklausel Fragen der Arbeitszeit regelt, sollte die Klausel auch unter der Überschrift "Arbeitszeit" oder unter der Überschrift "Kurzarbeit" angeordnet sein. Sie muss auch im Übrigen klar verständlich sein.
Rz. 1056
Jenseits des individuellen Arbeitsvertrages kann die nötige Rechtsgrundlage für die Durchführung von Kurzarb...