Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1496
Die Verschwiegenheitspflichten lassen sich grundsätzlich durch einvernehmliche Regelungen im Arbeitsvertrag erweitern. Hierfür gelten jedoch die allgemeinen Grenzen des § 307 BGB (AGB-Kontrolle) und der §§ 134 und 138 BGB. Die Erweiterung muss in jedem Fall von einem berechtigten wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers gedeckt sein.
Über ein anzuerkennendes berechtigtes Arbeitgeberinteresse gehen Geheimhaltungsklauseln hinaus, wenn sich der Arbeitnehmer zur Geheimhaltung aller ihm bekannt gewordenen geschäftlichen und betrieblichen Tatsachen verpflichtet (sog. "All-Klauseln"). Solche Klauseln sind unverhältnismäßig und nach § 138 Abs. 1 BGB bzw. § 307 Abs. 1 BGB nichtig.
Rz. 1497
Sachlich beschränkte Geheimhaltungsklauseln sind hingegen zulässig. Sie beschränken sich auf vertrauliche Angelegenheiten, an deren Geheimhaltung das Unternehmen ein berechtigtes Interesse hat, welches gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen überwiegt.
Besteht an der Geheimhaltung einzelner, besonders wichtiger Geheimnisse ein gesteigertes Interesse, empfiehlt es sich, diese ausdrücklich und präzise beschrieben im Vertrag zu nennen.
Rz. 1498
Verschwiegenheitsklauseln beziehen sich häufig auf persönliche Rechtsverhältnisse des Arbeitnehmers selbst, z.B. seine Gehaltsbezüge. Ein Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht kann insoweit eine ordentliche Kündigung rechtfertigen, wenn der Arbeitgeber an der Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse hatte.
Es besteht jedoch keine Pflicht zur Verschwiegenheit, wenn der Arbeitnehmer zur Offenbarung seines Einkommens gegenüber Behörden verpflichtet ist; etwa zur Erlangung sozialer Leistungen, oder wenn die Angaben für eine anderweitige Stellensuche erforderlich sind.
Rz. 1499
Ferner ist eine Klausel nach § 307 BGB unwirksam, nach der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, über seine Arbeitsvergütung auch gegenüber Arbeitskollegen Verschwiegenheit zu bewahren. Eine solche Klausel hindert den Arbeitnehmer daran, Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz im Rahmen der Lohngestaltung gegenüber dem Arbeitgeber erfolgreich geltend zu machen. Denn die einzige Möglichkeit für den Arbeitnehmer festzustellen, ob er Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich seiner Lohnhöhe hat, ist das Gespräch mit Arbeitskollegen. Ein solches Gespräch ist nur erfolgreich, wenn der Arbeitnehmer selbst auch bereit ist, über seine eigene Lohngestaltung Auskunft zu geben. Könnte man ihm derartige Gespräche wirksam verbieten, hätte der Arbeitnehmer kein erfolgversprechendes Mittel, Ansprüche wegen Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Rahmen der Lohngestaltung gerichtlich geltend zu machen. An dieser Einordnung ändert sich auch nichts durch das Inkrafttreten des EntTranspG. Ferner verstößt die Pflicht auch gegen die Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG, da sie auch Mitteilungen über die Lohnhöhe gegenüber der Gewerkschaft verhindert, deren Mitglied der betroffene Arbeitnehmer sein könnte. Sinnvolle Arbeitskämpfe gegen ein Unternehmen wären so nicht möglich, da die Gewerkschaft die Lohnstruktur nicht in Erfahrung bringen kann.