Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1638
Das Direktionsrecht erlaubt es dem Arbeitgeber, die Arbeitszeit – Arbeitsbeginn, Arbeitsende, Pausen, Gleitzeit- oder Schichtarbeit, Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Verteilung auf die Wochentage, Sonntagsarbeit – auszugestalten und den betrieblichen Erfordernissen anzupassen, soweit kein höherrangiges Recht entgegensteht. Hingegen ist die Dauer der Arbeitszeit ein wesentlicher Faktor der Leistung, für die der Arbeitgeber das vereinbarte Arbeitsentgelt zahlt. Ihre Bestimmung betrifft daher die Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis, die dem Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen sind. Der Arbeitgeber kann daher die Dauer der Arbeitszeit mit Blick auf den zwnigenden Kündigungsschutz grundsätzlich nicht einseitig durch die Ausübung seines Direktionsrechts reduzieren oder verlängern.
In Ausübung seines Weisungsrechts ist der Arbeitgeber zur Anordnung von Überstunden nur befugt, wenn ihm dieses Recht im Arbeitsvertrag, in Tarifverträgen oder in Betriebsvereinbarungen eingeräumt wird. Ohne entsprechende Regelung ist der Arbeitnehmer nicht zur Leistung von Überstunden verpflichtet. Auch Kurzarbeit kann der Arbeitgeber nicht mittels seines Direktionsrechts einführen. Auch hier bedarf es einer individual- oder kollektivrechtlichen Grundlage. Fehlt eine entsprechende Regelung, ist die Einführung von Kurzarbeit nur durch einvernehmliche Vertragsänderung oder im Wege der Änderungskündigung möglich.
Wird zum Abbau eines zugunsten des Arbeitnehmers bestehenden Zeitsaldos Freizeitausgleich gewährt, handelt es sich regelmäßig nur um eine Weisung zur Verteilung der Arbeitszeit i.S. von § 106 S. 1 GewO. Mit der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung wird zugleich auch die Zeit bestimmt, während derer ein Arbeitnehmer keine Arbeit zu leisten hat. Beide Festlegungen unterliegen deshalb dem Weisungsrecht des Arbeitgebers nach § 106 S. 1 GewO. Das ermöglicht es dem Arbeitgeber, die im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebene Leistungspflicht im Einzelnen nach Zeit, Art und Ort nach billigem Ermessen i.S. von § 315 Abs. 3 BGB zu bestimmen.
Rz. 1639
Der Arbeitgeber kann die Lage der Arbeitszeit gemäß § 106 S. 1 GewO nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit hierüber keine dem entgegenstehenden vertraglichen oder kollektivrechtlichen Vereinbarungen getroffen sind. Die Grenzen billigen Ermessens sind gewahrt, wenn der Arbeitgeber bei der Bestimmung der Zeit der Arbeitsleistung nicht nur eigene, sondern auch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers angemessen berücksichtigt hat. Auf schutzwürdige familiäre Belange des Arbeitnehmers hat er Rücksicht zu nehmen, soweit einer vom Arbeitnehmer gewünschten Verteilung der Arbeitszeit nicht betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer entgegenstehen.
Wollen die Vertragsparteien das Weisungsrecht des Arbeitgebers für die Arbeitszeitverteilung durch eine konstitutive Regelung einschränken, müssen hierfür besondere Anhaltspunkte bestehen. Das gilt auch für den Ausschluss gesetzlich und kollektivrechtlich erlaubter Sonn- und Feiertagsarbeit. Der Umstand, dass ein Arbeitgeber und seine Rechtsvorgänger während der Dauer von 30 Jahren keine Sonn- und Feiertagsarbeit anordneten, schließt die Berechtigung des Arbeitgebers hierzu nach § 106 S. 1 GewO nicht aus. Eine Änderung der ursprünglich vereinbarten Rechte und Pflichten durch sogenannte Konkretisierung in einen einseitig nicht veränderlichen Vertragsinhalt tritt nicht allein dadurch ein, dass der Arbeitnehmer längere Zeit in derselben Weise eingesetzt wurde (z.B. bisher keine Sonn- und Feiertagsarbeit zu leisten hatte). Zum reinen Zeitablauf müssen besondere Umstände hinzutreten, die erkennen lassen, dass der Arbeitnehmer nur noch verpflichtet sein soll, seine Arbeit unverändert zu erbringen. Die Befugnis, kraft des Direktionsrechts Ort und Zeit der Arbeitsleistung festzulegen, ist nicht dadurch eingeschränkt, dass der Arbeitgeber bei Abschluss des Arbeitsvertrags auf die für den Arbeitsbereich des Arbeitnehmers geltende betriebliche Regelung über Zeit und Ort des Beginns und Endes der täglichen Arbeit hingewiesen hat. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber danach über längere Zeit von seinem dahingehenden Direktionsrecht keinen Gebrauch macht. Die Voraussetzung für eine Konkretisierung der Arbeitsbedingungen bzw. der Leistungspflicht des Arbeitnehmers und eine damit einhergehende Einschränkung des arbeitgeberseitigen Weisungsrechts sind hoch.
Rz. 1640
Auch wenn die Urlaubserteilung nach § 7 Abs. 1 S. 1 BUrIG gegenüber einem einzelnen Arbeitnehmer nicht im Ermessen des Arbeitgebers gemäß § 315 Abs. 1 BGB steht, kann der Arbeitgeber in einem betriebsratslosen Betrieb Betriebsferien kraft des ihm obliegenden Direktionsrechts einführen.