Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 901
Ein Freiwilligkeitsvorbehalt muss eindeutig formuliert sein. Das ist dann der Fall, wenn eine Leistung freiwillig und ohne Einräumung eines Rechtsanspruchs für die Zukunft gewährt wird. Unzureichend ist dagegen der bloße Hinweis auf die Freiwilligkeit einer Leistung ("als freiwillige Sonderleistung"). Mit einem solchen Hinweis könnte der Arbeitgeber nämlich lediglich ausdrücken wollen, dass er weder gesetzlich noch tarifvertraglich oder betriebsverfassungsrechtlich zur Gewährung der Leistung verpflichtet ist. Ebenso wenig kann der Zusatz, eine Leistung erfolge "ohne jede rechtliche Verpflichtung", den zukünftigen Ausschluss eines Anspruchs hinreichend deutlich machen. In der Kombination mit einem Widerrufsvorbehalt (z.B. "freiwillig und unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs") liegt regelmäßig ein zur Unwirksamkeit der Klausel führender Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB).
Rz. 902
Zu weitgehend sind die vom BAG gestellten Anforderungen an das Transparenzgebot. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt ist nach der Rechtsprechung im Regelfall unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag gleichzeitig diejenigen Sonderleistungen nach Voraussetzung und Höhe präzise formuliert, die derzeit im Betrieb auf Grundlage eben jenes Freiwilligkeitsvorbehalts gewährt werden. Das Bemühen des Arbeitgebers um erhöhte Transparenz (= Benennung der "freiwilligen" Leistungen) erweist sich damit als kontraproduktiv. Denn das BAG folgert aus der Benennung von Sonderleistungen im Arbeitsvertrag, dass dem Arbeitnehmer ein Anspruch auf diese Leistungen gewährt werden soll. Dieser "Anspruch" widerspricht – insoweit folgerichtig – dem Freiwilligkeitsvorbehalt und führt zu seiner Unwirksamkeit (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Ansatz des BAG überzeugt nicht. Inhaltlich zusammenhängende Regelungen werden dadurch ohne Not künstlich "seziert" und es wird vorschnell ein Rechtsanspruch bejaht, wo auch aus Arbeitnehmersicht keiner begründet werden sollte. Widersprüchlich und damit intransparent soll nach dieser Rechtsprechung ein Freiwilligkeitsvorbehalt betreffend eine Bonuszahlung sein, wenn der Arbeitsvertrag gleichzeitig bestimmt, dass dem Arbeitnehmer "ein Bonus gezahlt wird", er "einen Bonus erhält", "am üblichen Bonussystem teilnimmt" oder "der Anspruch auf Zahlung des Bonus" bei Ausscheiden vor einem bestimmten Stichtag wieder entfällt. Gleiches gilt, wenn laut Arbeitsvertrag ein Weihnachtsgeld "zur Zeit gewährt" wird oder sich – nach einem Klammerzusatz zum Freiwilligkeitsvorbehalt – nach einem Tarifvertrag "richtet". Die Bezeichnung als "13. Gehalt" spreche ebenfalls für einen Anspruch. Intransparent soll ein Freiwilligkeitsvorbehalt ferner sein, wenn er die Höhe der Sonderleistung konkret bestimmt (z.B. "Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehalts") oder die Voraussetzungen für die Zahlung präzise formuliert. Das Verhalten eines Arbeitnehmers darf mit anderen Worten nicht gesteuert und seine Leistung nicht beeinflusst werden, wenn eine Bindung des Arbeitgebers für die Zukunft vermieden werden soll. Ein leistungsabhängiger Bonus kann deshalb nicht wirksam mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt verknüpft werden. Wird eine Leistung im Arbeitsvertrag "gewährt", kann die Gewährung nicht davon abhängig sein, dass sie für das betreffende Jahr von der Geschäftsführung beschlossen und schriftlich mitgeteilt wird. Alles andere wäre intransparent und damit unwirksam.
Rz. 903
Das Transparenzgebot erfordert nicht, dass in der Klausel die Gründe für die Ausübung des Freiwilligkeitsvorbehalts genannt werden. Es liegt gerade in seiner Natur, dass die Leistung jederzeit voraussetzungslos einstellbar ist. Eine Ankündigung des Arbeitgebers, dass er die Leistung zukünftig einstellen werde, ist ebenfalls nicht erforderlich – ebenso wenig eine Frist, binnen derer die Einstellung erfolgen müsste.