Martin Brock, Dr. Katja Francke
(1) Anwendungsbereich des § 60 HGB
(a) Personeller Anwendungsbereich
Rz. 1675
Das gesetzliche Wettbewerbsverbot gemäß § 60 Abs. 1 HGB gilt originär für Handlungsgehilfen. Handlungsgehilfen sind gemäß § 59 S. 1 HGB Personen, die in einem Handelsgewerbe zur Leistung kaufmännischer Dienste angestellt sind, demnach der heutige kaufmännische Angestellte. Auf andere Personen (gewerbliche Arbeitnehmer, Auszubildende, Handelsvertreter) wird § 60 HGB entsprechend angewendet.
(b) Zeitlicher Anwendungsbereich
Rz. 1676
Zeitlich gilt das Wettbewerbsverbot nach § 60 Abs. 1 HGB während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses. Hierbei kommt es auf den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses an. Daher besteht das Wettbewerbsverbot auch während einer Freistellung bis zur rechtlichen Beendigung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Freistellung widerruflich oder unwiderruflich erfolgt.
Nach wenig überzeugender Rechtsprechung des BAG soll der Arbeitnehmer von seinem Wettbewerbsverbot freiwerden, wenn die Freistellung unter Anrechnung anderweitigen Erwebs i.S.v. § 615 S. 2 BGB erfolgt. Hierdurch erteile der Arbeitgeber konkludent sein Einverständnis mit der Konkurrenztätigkeit des Arbeitnehmers. Zur Vermeidung einer solchen Folge sollten Arbeitgeber in die Freistellungserklärung bzw. -vereinbarung den ausdrücklichen Hinweis aufnehmen, dass das Wettbewerbsverbot für die Dauer der Freistellung aufrechterhalten bleibt.
Für den Fall einer Kündigung und eines sich anschließenden Kündigungsschutzprozesses ist maßgeblich, ob das Arbeitsverhältnis rechtlich fortbesteht oder nicht. Demnach kommt es auf das Ergebnis des Kündigungsschutzverfahrens an. Denn das Wettbewerbsverbot gilt grds. auch dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses streiten.
(c) Inhaltliche Restriktion
Rz. 1677
§ 60 Abs. 1 HGB verbietet dem kaufmännischen Angestellten zunächst, ein Handelsgewerbe zu betreiben. Der reine Wortlaut ist weit gefasst und umfasst sprachlich jegliches Handelsgewerbe. Die verfassungskonforme Auslegung des § 60 HGB bedingt jedoch, dass dem kaufmännischen Angestellten nur Handelsgewerbe der Art seines Arbeitgebers untersagt sind. Hierbei ist auf die jeweilige Unternehmenssituation abzustellen. Demnach wirkt sich jede Unternehmensänderung auch auf das Ausmaß des gesetzlichen Verbotes aus. Denn nur in seinem Tätigkeitsfeld besteht für den Arbeitgeber eine Gefährdung durch die Betreibung eines Handelsgewerbes. Sonstige gewerbliche Tätigkeiten außerhalb seines Handelszweiges sind – sofern sie außerhalb der Arbeitszeit erfolgen und die Arbeitsleistung nicht beeinträchtigen – gestattet.
Rz. 1678
Ein Handelsgewerbe im Sinne der Vorschrift wird dann betrieben, wenn sich der kaufmännische Angestellte als Unternehmer betätigt, wenn er beispielsweise im eigenen Namen ein Unternehmen führt. Eine persönliche Tätigkeit ist nicht ausschlaggebend. Das Verbot greift daher auch dann ein, wenn ein Strohmann vorgeschoben wird.
Rz. 1679
Bei einer reinen Beteiligung liegt das Betreiben eines Handelsgewerbes nur vor, wenn der kaufmännische Angestellte auch kaufmännisch tätig wird. Unzulässig ist demnach der Eintritt in eine OHG oder KG als persönlich haftender Gesellschafter. Kein Betreiben eines Handelsgewerbes liegt vor, wenn lediglich Aktien einer konkurrierenden Aktiengesellschaft erworben werden oder eine Beteiligung als Kommanditist vorgenommen wird, bei welcher keine Geschäfts- oder Vertretungsvollmacht eingeräumt wird.
Rz. 1680
Grundsätzlich gestattet sind bloße Vorbereitungen für eine spätere Konkurrenztätigkeit. Derartige Vorbereitungshandlungen sind nur dann vom Wettbewerbsverbot des § 60 Abs. 1 HGB erfasst, wenn sie aktuelle Geschäftsinteressen des Arbeitgebers gefährden. Demnach dürfen die formalen organisatorischen Voraussetzungen für ein geplantes eigenes Unternehmen auch während des Arbeitsverhältnisses geschaffen werden, beispielsweise das Anmieten von Geschäftsräumen, der Erwerb von Waren, die Einstellung von Arbeitnehmern, die Gründung, Anmeldung und Bekanntmachung eines Handelsgeschäftes etc.
Rz. 1681
Nach § 60 Abs. 1 2. Alt. HGB ist dem kaufmännischen Angestellten zudem jegliche selbstständige und unselbstständige Geschäftstätigkeit auf eigene oder fremde Rechnung im "Handelszweig" des Arbeitgebers verboten. Mit diesem Verbot soll eine Gefährdung der Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers vermieden werden. Unter dem Begriff des Geschäftemachens ist jede,...