Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1735
Erfüllt der Arbeitnehmer seine Arbeitspflicht nicht oder ist er nach § 275 Abs. 1 oder Abs. 2 BGB von seiner Arbeitspflicht befreit, richtet sich die Frage seines Anspruchs auf Gegenleistung (also: Anspruch auf Lohn/Gehalt) zunächst nach § 326 BGB. Danach erlischt grundsätzlich der Anspruch auf Gegenleistung, sofern nicht der Gläubiger den Leistungsausschluss allein oder weit überwiegend zu vertreten hat oder dieser zu einem Zeitpunkt eintritt, zu welchem sich der Gläubiger in einem Annahmeverzug befand. Dieser Grundsatz bedeutet im Ergebnis: "ohne Arbeit kein Lohn". Der Arbeitnehmer hat für Zeiten der Nichtleistung gerade keinen Anspruch auf das ihm sonst zustehende Arbeitsentgelt, § 326 Abs. 1 BGB.
Ist die Unmöglichkeit von keiner der beiden Seiten zu vertreten (etwa wenn der Arbeitnehmer aufgrund witterungsbedingter Verkehrsverhältnisse nicht zur Arbeit kommen kann), wird der Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht nach § 275 Abs. 1 oder 2 BGB frei. Er verliert grundsätzlich den Anspruch auf Lohn/Gehalt. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer die Nichtleistung nach § 275 BGB zu vertreten hat, wenn er also "blau macht", sich eigenmächtig Pausen gönnt, vorzeitig den Arbeitsplatz verlässt oder seinen Urlaub unabgesprochen vorzieht. In diesen Fällen wird der Arbeitgeber von seiner Vergütungspflicht befreit und kann die bereits gezahlte Vergütung nach § 326 Abs. 4 BGB entsprechend den Rücktrittsregeln zurückverlangen, §§ 346 ff. BGB, ohne dass der Arbeitnehmer sich auf Entreicherung berufen kann.
Das Prinzip "ohne Arbeit kein Lohn" gilt jedoch nicht durchweg. In einzelnen arbeitsrechtlichen Fällen wird das Synallagma durchbrochen, und der Arbeitnehmer behält entgegen § 326 Abs. 1 BGB seinen Lohnanspruch, etwa bei einer vorübergehenden Verhinderung aus persönlichen Gründen (§ 616 BGB), in der Situation der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (EFZG), bei der Feiertagsentgeltfortzahlung, im Fall des sog. Betriebsrisikos (§ 615 BGB) usw.
Hingegen scheidet ein Zurückbehaltungsrecht des Arbeitgebers bei mangelhafter Arbeitsleistung (Schlechtleistung) aus. Der Arbeitgeber kann nicht das Gehalt einbehalten, wenn der Arbeitnehmer die ihm obliegende Arbeitsleistung nicht in der geforderten mittleren Art und Güte erbringt. Das Dienstleistungsrecht kennt – anders als etwa das Kauf- oder Werkvertragsrecht – keine Gewährleistungsregeln, eben weil kein Erfolg geschuldet ist. Eine Minderung der Vergütung ist ebenso ausgeschlossen wie ein Anspruch des Arbeitgebers auf Nachbesserung, siehe auch § 326 Abs. 1 S. 2 BGB. Jedoch kann sich der Arbeitnehmer gegebenenfalls nach § 280 BGB schadensersatzpflichtig machen. Voraussetzung ist ein Verschulden bei der Schlechtleistung sowie die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität. Mit etwaigen Ersatzansprüchen kann der Arbeitgeber dann im Rahmen der Pfändungsfreigrenzen der §§ 387, 389, 394 BGB, §§ 850 ZPO ff. aufrechnen.
Eine Zurückbehaltung von Teilen der Vergütung kommt ggf. auch dort in Betracht, wo die Herausgabe von Firmeneigentum durchgesetzt werden soll, wo der Arbeitnehmer wegen Nichterfüllung seiner Arbeitspflicht oder wegen Verletzung wesentlicher Nebenpflichten auf Schadensersatz haftet oder wegen eines Verstoßes gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot entschädigungspflichtig ist.
Spezialgesetzlich besteht ein (vorübergehendes) Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers bzgl. der Entgeltfortzahlung, solange der Arbeitnehmer die erforderliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht vorlegt bzw. den Übergang eines Schadensersatzanspruches gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber verhindert, § 7 Abs. 1 EFZG.