Martin Brock, Dr. Katja Francke
aa) Gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung
Rz. 831
Gem. § 3 Abs. 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer im Falle krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (vgl. hierzu Rdn 408 ff.) Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen. Entsprechende Regelungen zur Dauer der Entgeltfortzahlung sind insoweit nur deklaratorischer Natur. Unterschiede in der Beurteilung können sich allerdings ergeben, wenn die gesetzlichen Bestimmungen zur Entgeltfortzahlung eine Änderung erfahren sollten. So stellte sich anlässlich der vorübergehenden gesetzlichen Absenkung der Entgeltfortzahlung auf 80 % die Frage, ob den bestehenden Regelungen, die durchgehend eine Entgeltfortzahlung von 100 % vorsahen, ein konstitutiver oder nur ein deklaratorischer Charakter im Sinne einer Verweisung zukam. Da nicht abzusehen ist, ob in diesem Bereich zukünftig mit gesetzlichen Änderungen zu rechnen ist, ist zu empfehlen, bei der Vertragsgestaltung erkennbar zu machen, dass Maßstab stets die jeweils geltende gesetzliche Regelung sein soll.
bb) Wartezeit
Rz. 832
Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht gem. § 3 Abs. 3 EFZG in der seit dem 1.10.1996 geltenden Fassung erstmals nach vierwöchiger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit. Entscheidend ist dabei allein der rechtliche Bestand des Arbeitsverhältnisses; nicht notwendig ist, dass der Arbeitnehmer während dieses Zeitraums auch tatsächlich beschäftigt worden ist. Erkrankt der Arbeitnehmer innerhalb der Wartezeit, steht ihm bei längerer Erkrankung nach Vollendung der Wartezeit der volle Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu; die in die Wartezeit fallenden Krankheitstage sind auf den Entgeltfortzahlungszeitraum nicht anzurechnen. Die wartezeitbedingte Einschränkung der Entgeltfortzahlung findet auch dann Anwendung, wenn sie in der vertraglichen Regelung nicht explizit genannt wird, da die Auslegung regelmäßig ergeben wird, dass die Bestimmungen des EFZG ergänzende Anwendung finden sollen. Vorsorglich sollte bei umfangreicher eigenständiger Regelung der Entgeltfortzahlung der Anspruchsausschluss dennoch aufgenommen oder ergänzend auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen werden, damit nicht im Wege der Auslegung eine abschließende konstitutive Regelung unter Ausschluss des § 3 Abs. 3 EFZG angenommen wird. Ein ausdrücklicher oder konkludenter Verzicht auf die Wartezeit ist zwar grds. zulässig, aus der Sicht des Arbeitgebers allerdings angesichts der noch kurzen Beschäftigungsdauer nicht empfehlenswert.
cc) Verlängerung der Anspruchsdauer
Rz. 833
Eine Verlängerung der Anspruchsdauer wird typischerweise in Führungspositionen vereinbart, in Anlehnung an die üblichen Vertragsbedingungen der Geschäftsführer und Vorstände, die nicht unter den Anwendungsbereich des EFZG fallen und deshalb eine Entgeltfortzahlung nur dann beanspruchen können, wenn diese vertraglich vereinbart ist. Ebenfalls verbreitet ist eine gestaffelte Verlängerung der Anspruchsdauer in Abhängigkeit von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. In diesem Fall dient die Verbesserung der Entgeltfortzahlung auch der Honorierung längerer Betriebstreue; die damit möglicherweise verbundene mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer ist, sofern die Regelung angemessen ausgestaltet ist, auch im Hinblick auf § 10 S. 2 Nr. 1 AGG nicht zu beanstanden, da mit der altersbedingt abnehmenden Leistungsfähigkeit erfahrungsgemäß längere Krankheitszeiten und damit ein erhöhtes Schutzbedürfnis älterer Arbeitnehmer gegeben ist.
Rz. 834
Bei der Vertragsgestaltung muss jedoch, um interessengerechte Lösungen zu finden, zusätzlich die sozialversicherungsrechtliche Situation des Arbeitnehmers berücksichtigt werden. Arbeitnehmer, die freiwillig gesetzlich oder privat krankenversichert sind, können ihren Anspruch auf Krankengeld regelmäßig an die verlängerten Leistungen des Arbeitgebers anpassen, so dass der Arbeitnehmer in diesen Fällen von einer Anspruchsverlängerung uneingeschränkt profitiert. Gesetzlich pflichtversicherte Arbeitnehmer haben demgegenüber grds. schon ab dem ersten Tag nach Feststellung der Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf Krankengeld. Dieses beläuft sich gem. § 47 SGB V auf 70 % des bisherigen ...