Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 607
Bei der Gestaltung von Ausschlussklauseln in Formulararbeitsverträgen ist deshalb neben der Reichweite der Klausel – welche Ansprüche sollen erfasst werden? – das Hauptaugenmerk auf das Gebot transparenter Vertragsgestaltung sowie auf die Länge der Ausschlussfrist und deren Beginn zu richten. Die besonderen Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB waren in der Vergangenheit von geringer praktischer Relevanz. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung nach Einführung des Mindestlohngesetzes insoweit entwickelt (siehe Rdn 611). Für das in § 309 Nr. 7 BGB normierte Verbot von Haftungsausschlüssen bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit und bei grobem Verschulden hielt das BAG daran fest, dass es Ausschlussfristen nicht entgegensteht. Stellte es jedoch in der Vergangenheit darauf an, dass in der Obliegenheit der fristgerechten Geltendmachung eines Anspruchs weder ein Haftungsausschluss noch eine Haftungsbegrenzung liegt, begründet es seine Entscheidung nunmehr mit den Besonderheiten des Arbeitsrechts (siehe Rdn 611 611). § 309 Nr. 13 BGB steht zweistufigen Ausschlussfristen nicht entgegen (näher siehe Rdn 613). Die Berufung des Arbeitgebers, aber auch des Arbeitnehmers auf eine Ausschlussfrist kann im Einzelfall gegen Treu und Glauben verstoßen und deshalb unzulässig sein.
aa) Reichweite der Ausschlussklausel
Rz. 608
Ausschlussfristen müssen nicht auf Ansprüche "aus dem Arbeitsverhältnis" begrenzt werden. Bezieht sich die Klausel auf Ansprüche, die mit dem Arbeitsverhältnis "in Verbindung stehen", werden alle Ansprüche erfasst, die mit dem Arbeitsverhältnis tatsächlich oder rechtlich zusammenhängen. Andererseits müssen Ausschlussfristen keinesfalls alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis erfassen. Die Formulierung "vertragliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" interpretiert das BAG dahingehend, dass Ansprüche aus Schadensersatz nicht erfasst sind und zwar gleichgültig, ob sie auf §§ 823 ff. BGB beruhen oder der Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten. Sollen nach dem Wortlaut der Ausschlussklausel alle "gegenseitigen Ansprüche" verfallen, werden dadurch nicht nur synallagmatische Ansprüche, sondern ebenso Ansprüche erfasst, die nicht von einer Gegenleistung abhängen. Unproblematisch können Ausschlussklauseln einzelvertragliche und abdingbare gesetzliche Rechte erfassen. Das BAG lässt daneben auch den Verfall unabdingbarer gesetzlicher Ansprüche zu. Im Schrifttum ist dies umstritten. Gemeint sind Ansprüche aus zwingendem Recht, von denen der Arbeitgeber nicht zulasten des Arbeitnehmers abweichen kann (siehe dagegen Rdn 609 zu unverzichtbaren Ansprüchen). Die Unabdingbarkeit des Entgeltfortzahlungsanspruchs gem. § 12 EFZG steht seinem Verfall etwa nicht entgegen. Der Grund liegt darin, dass Ausschlussfristen nicht die Entstehung und den Inhalt der Rechte des Arbeitnehmers regeln, sondern lediglich ihren zeitlichen Bestand, mit anderen Worten: Der Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht zunächst und dies in voller Höhe; erst in der Folge geht er aufgrund nicht fristgemäßer Geltendmachung wieder unter. Der Anspruch auf Urlaubsabgeltung kann nach Aufgabe der Surrogatstheorie ebenfalls selbst hinsichtlich des gesetzlichen Mindesturlaubs einer Ausschlussfrist unterworfen werden.
Rz. 609
Auf eine Reihe von Ansprüchen kann ein Arbeitnehmer nicht wirksam verzichten (unverzichtbare Ansprüche). Solche Ansprüche können auch nicht einer Ausschlussklausel unterworfen werden. So darf eine Ausschlussklausel etwa die Haftung wegen Vorsatzes nicht verkürzen. Das folgt aus §§ 276 Abs. 3, 202 Abs. 1 BGB. Das Verbot, einem Schuldner die Haftung wegen Vorsatzes im Voraus zu erlassen, würde leerlaufen, ließe man Ausschlussfristen für Ansprüche aus Vorsatzhaftung zu. Ansprüche eines Arbeitnehmers, die auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, können durch eine arbeitsvertragliche Ausschlussklausel ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht werden (§ 77 Abs. 4 S. 4 BetrVG). Ausschlussfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nach § 4 Abs. 4 S. 3 TVG wirksam nur in einem...