Martin Brock, Dr. Katja Francke
(1) Förderung der Gesundheit
Rz. 1223
Das BAG hat entschieden, dass der Arbeitnehmer weder zu einem ordentlichen Lebenswandel noch zur Erhaltung seiner Arbeitsfähigkeit verpflichtet sei. Allerdings erkannte es eine arbeitsvertragliche Pflicht zu gesundheits- und genesungsförderndem Verhalten, die ein Arbeitnehmer verletzt, wenn er in unverständlicher und leichtfertiger Weise gröblich gegen die von einem verständigen Menschen zu erwartenden Eigeninteressen verstößt.
Rz. 1224
Es macht wenig Sinn, durch arbeitsvertragliche Klauseln ein grob selbstgefährdendes Verhalten zu verbieten. Denn Arbeitnehmer verstoßen bei grob fahrlässiger Selbstschädigung auch ohne ausdrückliche Vertragskautelen gegen ihre Pflichten. Zur Sanktionierung genügen die allgemeinen Regelungen des KSchG bzw. des EFZG. Das gilt z.B. für grob fahrlässige Verkehrsunfälle infolge stark überhöhter Geschwindigkeit, Rotlichtverstöße, Unfälle infolge Trunkenheit oder Teilnahme an einer Rauferei. Der Umstand, dass Freizeitverhaltensklauseln zum Thema der grob fahrlässigen Selbstschädigung bisher nicht Gegenstand der höchstrichterlichen Rechtsprechung waren, unterstreicht ihre geringe praktische Bedeutung.
(2) Sportliche Betätigung
Rz. 1225
Größere Bedeutung erlangen in der Praxis Klauseln, mit denen die sportliche Freizeitbetätigung geregelt wird. Sportliche Betätigung sieht die Rechtsprechung grundsätzlich nicht als eine Gefährdung der Arbeitskraft an, sondern im Gegenteil als gesundheitsförderlich. Das gilt auch für landläufig als gefährlich eingeschätzte Sportarten wie Amateurboxen, Motorradrennen oder Drachenfliegen. "Besonders gefährlich" und damit potentiell selbstgefährdend sind nach Auffassung des BAG nur solche Sportarten, bei denen das Verletzungsrisiko bei objektiver Betrachtung so groß ist, dass auch ein gut ausgebildeter Sportler bei sorgfältiger Beachtung aller Regeln das Risiko nicht beherrschen kann, worunter z.B. Kickboxen fallen soll.
Rz. 1226
Da sportliche Betätigung also in aller Regel nicht als selbstgefährdend geahndet werden kann, besteht ein praktisches Bedürfnis an expliziten vertraglichen Sportverboten für Arbeitnehmer in schwer ersetzbaren Funktionen (z.B. Manager, Profisportler, Film- und Bühnenkünstler), bei denen sich ein verletzungs- oder krankheitsbedingter Ausfall unverhältnismäßig nachteilig auf die betrieblichen Abläufe auswirken würde.
Problematisch sind Vereinbarungen, in denen Arbeitnehmern die Pflicht auferlegt wird, sich körperlich fit zu halten und z.B. Ausgleichs- oder Fitnesssport zu treiben, dies ist i.d.R. eine ausschließliche Privatentscheidung. Auch liegt der betriebliche Bezug hier nicht gerade auf der Hand. Begründungsvorteile hätte etwa ein Hersteller oder Vertreiber von Sportausrüstungen oder gymnastischen Geräten, da seine Repräsentanten in der Öffentlichkeit oft als Botschafter für die Qualität der eigenen Erzeugnisse angesehen werden. Erwogen wird auch ein Hinweis auf eine firmeninterne Qualitätsphilosophie, die sich in einer permanenten Steigerung bzw. Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Firmenteams als arbeitsvertraglicher Nebenpflicht ausdrücken könnte.
Rz. 1227
Je hervorgehobener die Position des Arbeitnehmers ist, desto eher wird den Arbeitsvertragsparteien das Recht zugestanden, sich privatautonom auch über die Grenzen eines beiderseits akzeptierten Freizeitverhaltens zu verständigen und diesbezügliche Abreden in das vertragliche Pflichtengefüge aufzunehmen. Ob hieraus eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 2 BGB resultiert, ist eine Frage der Einzelfallprüfung anhand der von der Rechtsprechung erarbeiteten Kriterien. Es empfiehlt sich jedenfalls, verbotene Sportarten ausdrücklich zu benennen, da die Verwendung des Oberbegriffs "gefährliche Sportarten" nach den vorstehenden Erläuterungen für eine nähere Eingrenzung des auszuschließenden Risikos nicht tauglich ist.