Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1342
Soll mit der Sonderzahlung die Betriebstreue des Arbeitnehmers honoriert werden, lässt sich dies mit sog. Bindungsklauseln in Form von Stichtags- bzw. Rückzahlungsklauseln erreichen. Dabei beinhaltet die Stichtagsklausel eine aufschiebende Bedingung dahingehend, dass der Anspruch auf die Sonderzahlung nur entsteht, wenn das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt noch besteht oder, weitergehend, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch nicht durch eine Befristung, den Ausspruch einer Kündigung oder den Abschluss eines Aufhebungsvertrages vorbereitet ist. Die Stichtagsklausel wird zudem häufig mit einer Wartefrist verbunden, die am Stichtag bereits abgelaufen sein muss. Eine Rückzahlungsklausel sieht demgegenüber eine auflösende Bedingung vor, indem ein bereits entstandener und erfüllter Anspruch auf die Sonderzahlung nachträglich entfällt, weil das Arbeitsverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt – insbesondere durch Kündigung oder Aufhebungsvertrag – endet. Bindungsklauseln ist immanent, dass sie die Entscheidung des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um beispielsweise ein neues Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber einzugehen, beeinflussen können und sollen; sie unterliegen deshalb der Inhaltskontrolle gem. § 307 BGB, da der Arbeitnehmer in seiner durch Art. 12 GG garantierten Berufswahlfreiheit nicht in unzulässiger Weise eingeschränkt werden darf. Dabei hängt das Ergebnis der Inhaltskontrolle maßgeblich von der Rechtsnatur der Sonderzuwendung ab.
(1) Rechtsnatur der Sonderzahlung
Rz. 1343
Bindungsklauseln in Form von Stichtags- bzw. Rückzahlungsklauseln sind grundsätzlich unzulässig, wenn die Sonderzahlung reinen Entgeltcharakter besitzt, da in diesem Falle Bindungsklauseln regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. auch Rdn 1338 ff.). Demgegenüber war es nach früherer Rechtsprechung zulässig, Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter durch die Vereinbarung von Bindungsklauseln Mischcharakter zu verleihen und damit auch den Motivationszweck der Sonderzahlung zu betonen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung stehen jedoch Bindungsklauseln, die Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter erfassen, im Widerspruch zu dem Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB; die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist demnach stets ein unangemessenes Mittel, die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Eine Sonderzahlung, die zumindest auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann deshalb nicht mehr von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt inner- oder außerhalb des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhängig gemacht werden. Bindungsklauseln, die über den Bezugszeitraum hinausreichen, können deshalb nur noch für Sonderzahlungen mit reinem Gratifikationscharakter vereinbart werden, wobei das BAG bereits angedeutet hat, Sonderzahlungen, die mindestens 25 % der Gesamtvergütung ausmachen, den Charakter als reine Gratifikation absprechen zu wollen. Allerdings muss es auch weiterhin zulässig sein, bei Mitarbeitern, deren Tätigkeit unmittelbaren Einfluss auf das Unternehmensergebnis hat, den Messzeitraum für die variable Vergütung im Interesse einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung über mehrere Jahre zu erstrecken, wie dies § 87 Abs. 1 S. 3 AktG für Vorstandsmitglieder und die Instituts-Vergütungsverordnung für Mitarbeiter im Kredit- und Versicherungswesen vorsehen.