Martin Brock, Dr. Katja Francke
aa) Dispositivität (nur) des vertraglichen Zusatzurlaubs
Rz. 291
Der gesetzliche Mindesturlaub für Arbeitnehmer beträgt gem. § 3 Abs. 1 BUrlG 24 Werktage. Dieser Anspruch ist gem. § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbar, so dass diesbezügliche Regelungen zu Lasten der Arbeitnehmer weder einzel- noch tarifvertraglich wirksam vereinbart werden können. Regelungen über die Anrechnung anderweitiger Zeiten auf den Erholungsurlaub sind daher grds. unwirksam, wenn sie zu einer Verschlechterung des gesetzlichen Anspruchs auf Mindesturlaub führen. Gestaltungsmöglichkeiten bestehen allerdings, soweit der gesetzliche Mindesturlaub, wie in der Praxis üblich, arbeitsvertraglich erhöht wird. Urlaubsansprüche, die den gesetzlichen Mindesturlaub überschreiten, unterliegen grds. der vollen Disposition der Vertragsparteien. Auch die unionsrechtlichen Vorgaben gelten nur für den gesetzlichen Mindesturlaub und den Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen. Sollen auf den vertraglichen Zusatzurlaub jedoch Regelungen angewandt werden, die von den gesetzlichen Grundsätzen abweichen, müssen diese eindeutig vereinbart werden; anderenfalls ist das Bundesurlaubsgesetz im Zweifel auch auf den vertraglichen Zusatzurlaub anzuwenden.
bb) Anrechnung von Krankheitstagen
Rz. 292
Bei der Anrechnung von Krankheits- und anderen Fehltagen auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers handelt es sich maßgeblich um eine Frage der Erfüllungswirkung. Der Urlaubsanspruch wird grds. bereits durch die verbindliche Festlegung des Urlaubs durch den Arbeitgeber erfüllt. Entfällt während des festgelegten Urlaubs aus anderen Gründen die Arbeitspflicht, so wird dem Arbeitgeber die Urlaubsgewährung zwar unmöglich, § 275 BGB, der Urlaubsanspruch erlischt bei fehlendem Vertretenmüssen des Arbeitgebers jedoch ersatzlos. Urlaubsstörende Ereignisse fallen daher als Teil des persönlichen Lebensrisikos grds. in den Risikobereich des Arbeitnehmers; sie werden auf den Urlaubsanspruch "angerechnet". Dies gilt nur dann nicht, wenn sich aus besonderen gesetzlichen Regelungen eine andere Risikoverteilung ergibt; so sind bspw. während des Urlaubs abzuleistende Einsatztage für das Technische Hilfswerk nicht auf den Urlaubsanspruch anzurechnen, da der Arbeitnehmer für den THW-Einsatz unter Fortzahlung der Vergütung freigestellt werden müsste und die Anrechnung gegen das Benachteiligungsverbot des § 3 THW-Helferrechtsgesetz verstoßen würde. Ausnahmen gelten darüber hinaus in den Fällen, in denen das Gesetz die Anrechnung bestimmter Zeiten auf den Urlaubsanspruch ausdrücklich untersagt.
Rz. 293
Erkrankt der Arbeitnehmer während des Urlaubs, so verbietet § 9 BUrlG die Anrechnung der Krankheitszeiten auf den Urlaubsanspruch, wenn diese zur Arbeitsunfähigkeit führen und ärztlich nachgewiesen werden. Dies gilt auch dann, wenn die Krankheit den Erholungszweck objektiv nicht beeinträchtigt. Diese Regelung ist grds. zwingend und kann arbeitsvertraglich nicht zu Lasten des Arbeitnehmers modifiziert werden. Eine Regelung, die zur Begründung des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung neben dem auch gesetzlich geforderten ärztlichen Nachweis zusätzlich die unverzügliche Anzeige der Arbeitsunfähigkeit fordert, wäre deshalb unwirksam, soweit sie sich auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht. Da sich das Gebot der Unabdingbarkeit in § 13 BUrlG allerdings nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub bezieht, bleibt es zulässig, eine solche Regelung für darüber hinausgehende vertragliche Urlaubsansprüche zu vereinbaren. Die Rechtsprechung hat in solchen Fällen ursprünglich einen Günstigkeitsvergleich zwischen der gesetzlichen und der vertraglichen Regelung vorgenommen. Stellte die vertragliche Regelung den Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des vertraglichen Zusatzurlaubs insgesamt besser, war diese auch dann wirksam, wenn sie in einzelnen Punkten Abweichungen von den Vorgaben des Bundesurlaubsgesetzes zum Nachteil des Arbeitnehmers beinhaltete. In Formularverträgen steht dem jedoch seit der Schuldrechtsreform das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion entgegen, das die weitest mögliche Aufrechterhaltung einer teilweise unzulässigen Klausel gerade verhi...