Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 615
Im Mittelpunkt der allgemeinen Angemessenheitskontrolle nach § 307 BGB (siehe dazu Rdn 192 ff.) steht bei Ausschlussklauseln die Frage nach der zulässigen (Mindest-) Länge der Ausschlussfrist. Da verschiedene arbeitsrechtliche Vorschriften wie etwa § 626 Abs. 2 BGB, § 17 Abs. 1 S. 1 MuSchG, §§ 4, 7 KSchG, § 17 TzBfG, § 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG verhältnismäßig kurze Fristen vorsehen, kann man es als eine gegenüber dem allgemeinen Zivilrecht im Arbeitsrecht geltende Besonderheit ansehen, Rechtspositionen zeitnah geltend zu machen. Dies gilt jedoch zum Schutze des Gläubigers nicht grenzenlos: Nach ständiger Rechtsprechung des BAG sind Fristen von weniger als drei Monaten unangemessen kurz. Zur Begründung bezieht sich das Gericht auf die Drei-Monats-Frist des § 61b Abs. 1 ArbGG, die im Durchschnitt üblicher tariflicher Ausschlussfristen liegt und bei einer Gesamtbetrachtung geeignet ist. Sie gelte sowohl für die erste Stufe als auch für eine eventuelle zweite Stufe. Kürzere Fristen seien mit wesentlichen Grundgedanken des gesetzlichen Verjährungsrechts nicht vereinbar und schränkten wesentliche Rechte, die sich aus der Natur des Arbeitsvertrages ergeben, so ein, dass die Erreichung des Vertragszwecks nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB gefährdet sei. Bei der Vertragsgestaltung ist überdies zu beachten, dass übermäßig lange Ausschlussfristen zur Unwirksamkeit der Ausschlussfrist führen. Eine geltungserhaltende Reduktion (siehe dazu Rdn 205 f.) findet ebenso wenig statt wie eine ergänzende Vertragsauslegung (vgl. Rdn 208 f.). Das gilt auch für vor dem 1.1.2002 abgeschlossene Arbeitsverträge. Ist bei einer zweistufigen Ausschlussfrist die zweite Stufe wegen einer zu kurzen Frist zur gerichtlichen Geltendmachung unwirksam, kann die erste Stufe nach den Grundsätzen des sog. blue-pencil-Tests (siehe hierzu Rdn 207) dennoch wirksam sein. Die Unwirksamkeit der ersten Stufe hat dagegen regelmäßig die Unwirksamkeit der zweiten Stufe zur Folge. Denn es fehlt dann zumeist an einem Anknüpfungspunkt für den Fristbeginn der zweiten Stufe.
Der festgelegte Beginn der Ausschlussfrist muss mit der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BGB vereinbar sein. Danach beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist nicht allein schon mit der Entstehung des Anspruchs, sondern erst dann, wenn der Gläubiger zusätzlich von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dieser Kombination aus subjektiven und objektiven Elementen wird auch eine Ausschlussklausel gerecht, die schlechterdings an "die Fälligkeit" der geltend zu machenden Ansprüche anknüpft. In der BAG-Rechtsprechung wird der Fälligkeitsbegriff bei Ausschlussfristen nämlich subjektiv interpretiert. Die Frist beginnt danach, "sobald sich der Gläubiger den erforderlichen groben Überblick ohne schuldhaftes Zögern verschaffen und seine Forderung wenigstens annähernd beziffern kann". Diese Rechtsprechung stellt eine arbeitsrechtliche Besonderheit dar (vgl. dazu Rdn 198 ff.). Bei der Formulierung der Klausel ist darauf zu achten, dass klar und eindeutig an die Fälligkeit angeknüpft wird. Unwirksam sind hingegen Klauseln, die für den Beginn der Ausschlussfrist allein auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses abstellen. Sie benachteiligen den Arbeitnehmer gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unangemessen, weil sie vom Leitbild des § 199 Abs. 1 BGB abweichen, ohne dass arbeitsrechtliche Besonderheiten diese Abweichung zu rechtfertigen vermögen.
Inwieweit die Vorschriften des Verjährungsrechts analog auf Ausschlussfristen angewandt werden können, ist umstritten. Nach Auffassung des BAG können jedenfalls Vergleichsverhandlungen den Lauf einer Ausschlussfrist, bei der es auf die gerichtliche Geltendmachung ankommt (zweite Stufe), hemmen, § 203 S. 1 BGB. Die Analogie sei geboten, da mit dem Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung auf § 204 Abs. 1 BGB Bezug genommen werde und der Zweck des § 203 S. 1 BGB widerspreche dem Wesen der Ausschlussfrist nicht. Anders sieht das BAG dies für § 203 S. 2 BGB, der nicht anzuwenden sein soll. Auf der ersten Stufe soll eine Hemmung nach § 203 S. 1 BGB hingegen nicht in Betracht kommen. Der Lauf einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist wird nicht analog § 207 Abs. 1 BGB gehemmt. Nach dieser Vorschrift ist die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt, solange die Ehe besteht.