Rz. 392

Ist die Versetzung vom (vertraglich erweiterten) Direktionsrecht gedeckt, so bedarf es einer Ausübungskontrolle, §§ 106 S. 1 GewO, 315 BGB.[928] Die konkrete Versetzung muss billigem Ermessen entsprechen und die Interessen des Arbeitgebers an der Versetzung mit den Interessen des Arbeitnehmers an der Beibehaltung des bisherigen Arbeitsorts abwägen. Dabei trägt der Arbeitgeber, der sich auf die Wirksamkeit der Versetzung beruft, die Darlegungs- und Beweislast.[929]

 

Rz. 393

Kriterien bei der Ausübungskontrolle sind auf der einen Seite die betrieblichen Bedürfnisse an einer Versetzung gerade des betreffenden Arbeitnehmers. Auf der anderen Seite sind die privaten Belange des Arbeitnehmers in die Waagschale zu legen, etwa Vermeidung eines Umzugs aus nachvollziehbaren privaten Gründen (Alter, schulpflichtige Kinder, pflegebedürftige Angehörige etc.). Eine Versetzung an einen weiter entfernten Ort ist regelmäßig nur nach einer Ankündigungsfrist zulässig; die Länge der Frist ist einzelfallabhängig.[930] Eine Sozialauswahl muss bei einer örtlichen Versetzung aus betriebsbedingten Gründen allerdings nicht durchgeführt werden.[931] Ist aufgrund der Ausübungskontrolle eine Versetzung nicht gerechtfertigt, muss der Arbeitnehmer möglicherweise mit einer betriebsbedingten (Änderungs-) Kündigung rechnen.

 

Rz. 394

Die dem Arbeitnehmer durch den Wechsel des Arbeitsorts entstehenden Kosten wie Umzugskosten, erhöhte Fahrtkosten etc. hat der Arbeitgeber nach § 670 BGB zu tragen.[932] Nach anderer Auffassung ist bei der Ausübungskontrolle zu berücksichtigen, ob der Arbeitgeber sich bereit erklärt, zumutbare Fristen zu gewähren und entstehende Kosten zu übernehmen.[933] Ist eine örtliche Versetzung rechtswidrig, wird sie aber vom Arbeitnehmer unter Vorbehalt akzeptiert, so schuldet der Arbeitgeber Schadensersatz, etwa die entstandenen Reisekosten.[934]

 

Rz. 395

Strafversetzungen widersprechen stets der Ausübungskontrolle. So ist die Versetzung einer Mitarbeiterin in Elternzeit ins Ausland (hier: London statt Frankfurt) rechtsmissbräuchlich.[935] Auch die örtliche Versetzung von ausschließlich ehemals befristet beschäftigten Arbeitnehmern – so sinnigerweise die Vorgehensweise der Bundesagentur für Arbeit – hält einer Ausübungskontrolle nicht stand.[936] Allerdings kann der Arbeitgeber eine örtliche Versetzung ins Auge fassen, um dadurch nicht anders lösbare Konflikte zwischen Arbeitnehmern zu begegnen.[937] Hierbei muss er nicht zuvor den Verantwortlichen ermitteln und dann versetzen; anders mag es bei klaren Mobbinghandlungen sein.[938]

[928] Dazu etwa BAG 26.9.2012 – 10 AZR 275/09, NZA-RR 2013, 403; Hunold, DB 2013, 636, 637; Reinecke, NZA-RR 2013, 393, 397 ff.
[930] Vgl. LAG Berlin-Brandenburg 17.11.2017 – 2 Sa 965/17, AuR 2018, 203; Peters, Das Weisungsrecht des Arbeitgebers, Kap. IV Rn 499 ff.
[932] BAG 21.3.1973 – 4 AZR 187/72, BB 1973, 983; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn 429; Küttner/Griese, Personalbuch 2020, Umzugskosten Rn 4; a.M. BeckOK-Arbeitsrecht/Tillmanns, Stand: 1.6.2020, § 106 GewO Rn 25.
[933] So der Vorschlag von Novara/Römgens, NZA 2016, 668, 670 f.; in diese Richtung wohl auch BeckOK-Arbeitsrecht/Tillmanns, Stand: 1.6.2020, § 106 GewO Rn 25.
[935] Hess. LAG 15.2.2011 – 13 SaGa 1934/10, BB 2011, 832.
[937] BAG 24.4.1996 – 5 AZR 1031/94, NZA 1996, 1088; LAG Schleswig/Holstein 2.5.2007 – 6 Sa 504/06, BeckRS 2007, 44710; Hess. LAG 24.10.2011 – 16 Sa 711/11, BeckRS 2011, 79035; LAG Köln 22.11.2012 – 7 Sa 329/12, BeckRS 2013, 71649; LAG Düsseldorf 31.7.2018 – 3 Sa 130/18, ArbRAktuell, 2018, 559; Reiserer, BB 2016, 184, 186.
[938] Peters, Weisungsrecht des Arbeitgebers, Kap. IV Rn 507 ff.

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge