Martin Brock, Dr. Katja Francke
aa) Grundsätze des Prämienlohns
Rz. 703
Prämienlohn kann leistungsunabhängige Verhaltensanreize setzen, indem eine Prämie etwa für geringe Fehlzeiten (vgl. hierzu Rdn 299 ff.) oder für Pünktlichkeit gewährt wird. Regelmäßig soll mit der Vereinbarung eines Prämienlohns jedoch eine höhere Vergütung unmittelbar dafür gewährt werden, dass der Arbeitnehmer eine gesteigerte quantitative oder qualitative Leistung erbringt. Grundlage des Prämienlohns ist damit die individuelle Bewertung der Leistung des Arbeitnehmers, indem dessen tatsächlich erbrachte Leistung der erwarteten "Normalleistung" gegenübergestellt wird. Das Ziel einer solchen Prämie besteht darin, einen Leistungsanreiz und zugleich eine der Lohngerechtigkeit entsprechende Vergütungsstruktur zu schaffen.
Rz. 704
Zur Ermittlung der Lohngrundlage muss daher zunächst die Normalleistung definiert werden, anhand derer die individuelle Arbeitsleistung des Arbeitnehmers gemessen werden kann. Diese kann statistisch auf der Basis von Erfahrungs- oder Durchschnittswerten, aber auch arbeitswissenschaftlich ermittelt werden. Prämienlohnsysteme sind etwa von Halsey, Rowan oder Gantt entwickelt worden, die sich v.a. durch unterschiedlich ausgestaltete Prämienlohnkurven unterscheiden. Die Lohnkurve kann proportional oder antiproportional im Verhältnis zu der Bezugsgröße ansteigen, gestaffelt, degressiv oder auch progressiv ausgestaltet werden. Die Wahl des angewandten Systems hängt davon ab, welche Leistungsanreize mit dem Prämienlohn gesetzt werden sollen. Zu beachten ist dabei, dass die definierte Normalleistung eine abstrakte Berechnungsgröße zur Bemessung der Vergütung ist; sie ist deshalb nicht mit der sich aus § 611 BGB ergebenden Leistungspflicht des Arbeitnehmers gleichzusetzen. Dennoch kann eine vertrags- und pflichtwidrige Minderleistung vorliegen, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit nicht unter angemessener Anspannung seiner Kräfte und Fähigkeiten leistet und deshalb die Normalleistung nicht erreicht.
Rz. 705
Der Prämienlohn kann als zusätzlicher Vergütungsbestandteil neben der regelmäßigen Festvergütung ("kombinierter Prämienlohn") oder ausschließlich als selbstständiger Prämienlohn ohne zusätzliche Festvergütung ausgestaltet werden. Der selbstständige Prämienlohn sollte jedoch mit einer Mindestlohngarantie verbunden werden, um eine ausreichende Vergütungsabsicherung und gleichzeitig die Erfüllung des Mindest- oder ggf. Tariflohnanspruchs zu gewährleisten; im Gegenzug bietet sich die Bestimmung einer Obergrenze an, um zu verhindern, dass durch einen übermäßigen Vergütungsanreiz eine gesundheitsschädliche Überbeanspruchung des Arbeitnehmers provoziert wird.
bb) Bezugsgröße des Prämienlohns
Rz. 706
Als Bezugsgröße des Prämienlohns kann jeder Umstand herangezogen werden, der von dem Arbeitnehmer beeinflusst werden kann. Typische Bezugsgrößen sind dabei wie auch bei der Akkordvergütung die Arbeitsmenge (Mengenprämie) und die für deren Bewältigung aufgewandte Zeit; auch die Qualität der Arbeitsleistung (Qualitätsprämie), die Optimierung der Arbeitsabläufe und Maschinenlaufzeiten, die Einsparung von Rohstoff- oder Energiekosten (Ersparnisprämie), die Verringerung der Ausschussquote, die Einhaltung von Terminvorgaben oder die Kundenzufriedenheit können als Grundlage für eine Prämienvereinbarung herangezogen werden. Um eine einseitige Leistungsausrichtung zu vermeiden, können sich auch Mischformen anbieten, indem etwa eine Mengenprämie mit Aspekten der Arbeitsqualität verbunden wird, um eine Steigerung der Arbeitsquote zu Lasten der Ausschussquote zu vermeiden. Ebenso kann der Prämienlohn als Einzel- oder Gruppenprämie ausgestaltet werden, indem die Leistung entweder des einzelnen Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmergruppe bewertet wird.
cc) Änderung des Prämienlohnsystems
Rz. 707
Der Wechsel von Prämien- in Zeitlohn und umgekehrt kann von dem Arbeitgeber nicht einseitig angeordnet werden, da mit der Vergütung der dem Kündigungsschutz unterfallende Kernbereich des Arbeitsverhältnisses betroffen ist. Dies gilt i.d.R. auch bei der Versetzung eines Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz, der einem anderen Entlohnungssystem unterfällt. Die Versetzung auf einen Arbeitsplatz, an dem der Arbeitnehmer weniger Lohn erzielt als bisher, ist von dem arbeitgeberseitigen Direktionsrecht regelmäßig nicht gedeckt. Es bedarf insoweit entweder des A...