Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1230
Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit macht nicht vor dem Arbeitsverhältnis halt. Äußerungen von Arbeitnehmern in der Öffentlichkeit – etwa vor der Kamera aus Anlass eines Streiks oder bei Meinungsumfragen auf offener Straße – sind daher grundsätzlich zulässig, auch wenn damit sachliche Kritik verbunden ist. Grenzenlos ist diese Freiheit natürlich nicht, der Arbeitgeber ist durch Art. 5 Abs. 2 GG gegen Schmähkritik oder Formalbeleidigungen geschützt.
Rz. 1231
Arbeitnehmer sind auch ohne besondere vertragliche Abrede infolge ihrer Loyalitätspflicht gehalten, den Ruf des Arbeitgebers nicht zu schädigen. Ein Krankenpfleger darf z.B. nicht nebenberuflich als Bestatter tätig sein. Das Anstellungsunternehmen genießt aber auch ausdrücklichen gesetzlichen Schutz, z.B. durch §§ 824, 241 Abs. 2 BGB oder in Wettbewerbsfällen durch § 14 UWG bzw. § 826 BGB. Einer gesonderten vertraglichen Abrede bedarf es daher nicht. Freizeitrelevante Klauseln zur Sicherung des Rufs des Arbeitgebers haben eher appellativen Charakter.
Rz. 1232
Verschiedentlich sind Arbeitgeber bestrebt, Rufwahrungsklauseln dahingehend zu erweitern, dass der Arbeitnehmer verpflichtet sein soll, auch seinen eigenen privaten Ruf zu wahren. Derartige Vereinbarungen bedürfen stets eines konkreten betrieblichen Bezugs und dürfen für den Arbeitnehmer nicht unzumutbar sein. Ein betrieblicher Bezug setzt voraus, dass der betreffende Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit mit dem Arbeitgeber identifiziert wird. Das ist einerseits bei direkten Repräsentanten des Arbeitgebers der Fall, also bei Vorständen, Geschäftsführern und leitenden Angestellten, andererseits bei Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, die sich in einem Anstellungsverhältnis befinden. Je exponierter ein solcher Arbeitnehmer in der Öffentlichkeit steht, desto eher kann ein privater Rufverlust eine negative betriebliche Auswirkung haben. Anders gewendet: Rufwahrungsklauseln mit privatem Bezug sollten zurückhaltend verwendet werden.
Rz. 1233
Börsennotierte Unternehmen in den USA sind aufgrund des Sarbanes-Oxley Act verpflichtet, einen Ethik-Kodex einzuführen ("Code of Ethics"), um moralisch integere Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben zu fördern. Unter US-Recht gilt diese Pflicht auch für ausländische Tochterunternehmen. Deutsche Töchter US-amerikanischer Konzerne können sich einem entsprechenden Diktat ihrer Konzernleitung kaum entziehen. Bezieht ein Ethik-Kodex auch das private Verhalten von Arbeitnehmern mit ein, z.B. durch das Verbot privater Beziehungen zwischen Beschäftigten, wird dies nach deutschem Recht – von wenigen Funktionsträgern abgesehen – unverhältnismäßig und damit unzulässig sein.