Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 1544
Wie bereits im ersten Teil erwähnt, sind ein Kernstück des Geheimnisschutzes aufgrund des GeschGehG die "angemessenen Schutzmaßnahmen" gem. § 2 Nr. 1 b) GeschGehG:
Anders als noch bei §§ 17 UWG reicht ein bloßer subjektiver Geheimhaltungswille nicht mehr: Erforderlich sind objektive Geheimhaltungsmaßnahmen. Hierunter werden alle Vorkehrungen verstanden, um die geheime Information vor einem rechtswidrigen Erlangen, Nutzen oder Offenlegen zu schützen. Im Regelfall erforderlich sind unternehmensspezifische Schutzkonzepte und Schutzstrategien. Weder die RL (EU) 2016/943, noch das GeschGehG nennen Beispiele für Schutzmaßnahmen, was angesichts der Vielzahl der denkbaren Fallgestaltungen auch nicht sinnvoll möglich wäre. In der praktischen Umsetzung kann hierbei vielfach auf Erfahrungen aus anderen Bereichen, insbesondere dem Datenschutz, angeknüpft werden.
Rz. 1545
Allerdings lässt das Gesetz auch nicht jegliche Vorkehrung ausreichen, gefordert werden ausdrücklich "angemessene" Schutzmaßnahmen. Die Frage der Erforderlichkeit folgt dem Gedanken der Verhältnismäßigkeit, sie ist daher auch nicht statisch für alle denkbaren Fälle sondern dynamisch, auf den jeweiligen Einzelfall bezogen zu prüfen.
Rz. 1546
So lange bis klare Maßstäbe durch deutsche und europäische Gerichte entwickelt wurden, ist eine Orientierung an der Rechtsprechung zu Art. 39 TRIPS möglich. Das angemessene Ausmaß an Schutzvorkehrungen ist damit abhängig von der Schutzwürdigkeit der jeweiligen Information: je schutzbedürftiger eine Information, desto höher das Schutzniveau.
Rz. 1547
Ein optimaler, höchstmöglicher und damit kostenintensivster Schutzaufwand kann nicht generell verlangt werden; anderenfalls wäre der Begriff des Geschäftsgeheimnisses allzu stark eingeschränkt. Ein bloßes Minimum an Schutzvorkehrungen, um Kosten oder Organisationsaufwand zu vermeiden, genügt allerdings auch nicht.
Rz. 1548
Die Beurteilung erfolgt nach den folgenden objektiven Kriterien; und aus Sicht eines objektiven und verständigen Betrachters aus denjenigen (Fach-)Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen.
1. |
Wirtschaftlichkeit des Schutzes: Das Erfordernis der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen dient dazu, den tatsächlichen und rechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen (Effizienzgedanke) In einen Ausgleich zu bringen sind der Geheimniswert, also Art und wirtschaftlicher Wert des Geheimnisses mit den Kosten und dem Aufwand für die Geheimhaltungsmaßnahme, wobei es kein festes Kosten-Wert-Verhältnis gibt. |
2. |
Zu berücksichtigen sind auch der Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung, Schwierigkeiten der Geheimhaltung und die konkrete Gefährdungslage. |
3. |
Weiterhin Einfluss auf die Angemessenheit der Geheimhaltungsmaßnahmen hat die Unternehmensgröße und die daraus folgende Leistungsfähigkeit: Von einem größeren weltweit tätigen Unternehmen sind andere Maßnahmen zu erwarten als von einem Kleinbetrieb, der größere und aufwändigere Sicherungsvorkehrungen nur ungleich schwerer organisieren und finanzieren kann. |
4. |
Auch die Maßstäbe der jeweiligen Wirtschaftsbranche und der für diese branchenüblichen Sicherheitsstandards können Anhaltspunkte für die Angemessenheit geben. |
Rz. 1549
Bei der Erstellung eines unternehmensspezifischen Schutzkonzeptes für Betriebsgeheimnisse ist eine Orientierung an den folgenden Schritten und Maßnahmen möglich:
(1) Zuständigkeitsregelung im Unternehmen
Rz. 1550
Erfolgreiche Erstellung und Umsetzung eines Schutzkonzeptes für Betriebsgeheimnisse setzt im Regelfall voraus, dass klare Regelungen der Verantwortlichkeit bestehen und ein kompetenter Ansprechpartner, dem die erforderlichen Befugnisse eingeräumt werden, benannt wird. Hierbei ist es wichtig zu sehen, dass die Erstellung und Umsetzung des Schutzkonzepts eine echte Querschnittsaufgabe sind, und daher eine anspruchsvolle und qualifizierte Aufgabe.