Martin Brock, Dr. Katja Francke
Rz. 204
Sind AGB ganz oder teilweise nicht Vertragsbestandteil geworden oder unwirksam, bleibt der Vertrag nach § 306 Abs. 1 BGB in Abweichung von der Auslegungsregel des § 139 BGB im Übrigen wirksam. Der Inhalt des Arbeitsvertrages richtet sich dann insoweit gem. § 306 Abs. 2 BGB nach den gesetzlichen Vorschriften.
(1) Verbot der geltungserhaltenden Reduktion
Rz. 205
Vor der Schuldrechtsreform neigte das BAG allerdings dazu, Klauseln, die über das Maß des Angemessenen hinausschossen, nicht für insgesamt unwirksam zu erklären. Überlange Bindungszeiten von Rückzahlungsklauseln wurden beispielsweise auf ein angemessenes Maß zurückgeführt, zu hohe Vertragsstrafen herabgesetzt. Der BGH dagegen ließ eine derartige geltungserhaltende Reduktion, d.h. die Rückführung einer Klausel auf ein gerade noch angemessenes Maß, nicht zu. Dieses Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gilt seit der Schuldrechtsreform auch für Formulararbeitsverträge. Dies steht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut des § 306 BGB, der eine teilweise Aufrechterhaltung unwirksamer Klauseln nicht vorsieht und weist zudem das Risiko zu weit reichender Klauseln sachgerecht dem Arbeitgeber als Verwender zu. Das BAG hat deshalb eine unangemessen hohe Vertragsstrafe ebenso für insgesamt unwirksam erklärt wie eine zu kurz bemessende Ausschlussfrist oder eine zu weit gefasste Rückzahlungsklausel. Die Aufnahme einer salvatorischen Klausel in den Arbeitsvertrag führt zu keinem abweichenden Ergebnis. Die praktischen Konsequenzen dieser Rechtsprechung reichen weit. An die Stelle der unwirksamen Bestimmung treten die gesetzlichen Vorschriften (§ 306 Abs. 2 BGB). Existiert für das in Frage stehende Regelungsanliegen kein dispositives Recht, geht der Arbeitgeber im Regelfall leer aus. Die Vereinbarung einer zu hohen Vertragsstrafe führt beispielsweise dazu, dass der Arbeitgeber überhaupt keinen Anspruch auf eine Vertragsstrafe hat, weil kraft Gesetzes keine Verpflichtung zur Zahlung einer solchen besteht. Ebenso wenig bestehen gesetzliche Vorschriften, die anstelle einer unwirksamen Rückzahlungsklausel einen Rückzahlungsanspruch begründen könnten. Erschwerend kommt hinzu, dass selbst die zeitlich begrenzte Unangemessenheit einer Klausel zu ihrer gänzlichen Unwirksamkeit führen kann.
Rz. 206
Bei nachvertraglichen Wettbewerbsverboten bleibt jedoch gem. § 74a Abs. 1 HGB auch in der Zukunft eine geltungserhaltende Reduktion zulässig. Nach dieser Vorschrift ist ein Wettbewerbsverbot insoweit unverbindlich, als es nicht zum Schutze eines berechtigten geschäftlichen Interesses des Prinzipals dient oder unter Berücksichtigung der gewährten Entschädigung nach Ort, Zeit oder Gegenstand eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Gehilfen enthält. Die Vorschrift enthält – wie die Formulierung "insoweit" verdeutlicht – einen Fall der gesetzlich angeordneten geltungserhaltenden Reduktion: Ein aus den angeführten Gründen an sich unzulässiges Wettbewerbsverbot ist von Rechts wegen auf das noch erlaubte Maß zurück zu führen.
(2) Sog. blue-pencil-Test
Rz. 207
Sind zwei Teile einer Klausel inhaltlich und sprachlich trennbar, weil der unwirksame Teil ohne weiteres gestrichen werden kann, ohne dass der Sinn des anderen Teils darunter leidet, soll nach dem sog. blue-pencil-Test die Klausel in ihrem wirksamen Teil aufrechterhalten bleiben. Das BAG bemühte dieses Konstrukt erstmals zur teilweisen Aufrechterhaltung einer Vertragsstrafenklausel, die zumindest teilweise nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam war. Der unzulässige Teil der Klausel k...