Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 722
Unter dem Begriff des Chefarztes versteht man den oder die leitenden Ärzte eines Krankenhauses. Allerdings besteht insoweit kein einheitlicher Sprachgebrauch. Üblich sind bspw. auch die Bezeichnung als leitender Arzt, leitender Abteilungsarzt, Abteilungs- oder Klinikdirektor, ohne dass insoweit ein rechtlicher Unterschied besteht. Entscheidend ist, dass der betreffende Arzt die ärztliche Gesamtleitung einer fachlichen Untergliederung eines Krankenhauses (Klinik oder Fachabteilung) trägt und in dieser Funktion als unmittelbarer Dienstvorgesetzter gegenüber dem in diesem Bereich tätigen ärztlichen und nichtärztlichen Personal weisungsbefugt ist. Ihm muss darüber hinaus die medizinische Gesamtverantwortung für die jeweilige fachliche Untergliederung zur weisungsfreien Ausübung übertragen sein, wobei allerdings auch kollegiale Chefarztsysteme denkbar sind, in denen mehrere Ärzte gemeinsam die ärztliche Leitung einer Organisationseinheit eines Krankenhauses übernehmen. Um die fachliche Leitungsverantwortung übernehmen zu können, muss der Chefarzt die Facharztqualifikation der Fachrichtung aufweisen, der seine Klinik oder Abteilung zuzuordnen ist. Spezielle Schwerpunktbezeichnungen muss er selbst dann nicht besitzen, wenn in der Klinik oder Abteilung ein entsprechender Schwerpunkt gebildet ist. Sinnvoll, jedoch nicht zwingend notwendig ist es darüber hinaus, dass der Chefarzt die berufsrechtlich erforderliche Weiterbildungsermächtigung für seine Fachrichtung besitzt, damit unter seiner Verantwortung die ärztliche Weiterbildung in dem von ihm verantworteten Fachgebiet in der von ihm geleiteten Klinik oder Abteilung durchgeführt werden kann.
Wenn ein solcher leitender Arzt nicht ausnahmsweise – wie häufig bei Universitätskliniken – Beamter ist, handelt es sich bei dem Dienstvertrag des Chefarztes um einen Arbeitsvertrag, den der Chefarzt als Arbeitnehmer mit dem Krankenhausträger als Arbeitgeber schließt. Im Regelfall ist der Chefarzt nicht leitender Angestellter im kündigungsschutzrechtlichen Sinne nach § 14 Abs. 2 KSchG. Er dürfte zwar aufgrund seiner ärztlichen Gesamtverantwortung für die Klinik und seiner Berechtigung zu deren weisungsfreien Leitung in medizinischen Angelegenheiten eine Stellung einnehmen, die der eines Geschäfts- oder Betriebsleiters i.S.v. § 14 Abs. 2 KSchG entspricht. Regelmäßig ist er aber nicht zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt. Nur wenn dies ausnahmsweise doch der Fall ist, kann ein Chefarzt als leitender Angestellter im kündigungsschutzrechtlichen Sinn qualifiziert werden. Ist dies – wie regelmäßig – nicht der Fall, ist das KSchG uneingeschränkt auf das Arbeitsverhältnis des Chefarztes anwendbar. Ob der Chefarzt als leitender Angestellter im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne nach § 5 Abs. 3 BetrVG eingeordnet werden kann, hängt von der Ausgestaltung des Vertrages und der gelebten Vertragspraxis im Einzelfall ab. Erforderlich hierfür wäre, dass der Chefarzt entweder nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 BetrVG zur selbstständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern in einer bedeutsamen Anzahl berechtigt ist oder – nach § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 BetrVG Generalvollmacht oder eine nicht unbedeutende Prokura übertragen erhalten hat, was regelmäßig nicht der Fall ist. Denkbar ist demgegenüber, dass der Chefarzt die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BetrVG erfüllt, also Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Krankenhauses oder der von ihm geleiteten Abteilung von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt. Er muss in diesem Bereich die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen treffen oder sie maßgeblich beeinflussen. Insbesondere die Erfüllung des letztgenannten Merkmales wird im Einzelfall häufig zweifelhaft sein. Ist der Chefarzt nicht als leitender Angestellter im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne einzuordnen, unterfällt sein Arbeitsverhältnis uneingeschränkt den Regelungen des BetrVG, sofern es sich bei dem Krankenhausträger nicht um einen kirchlichen Träger, der nicht in den Geltungsbereich des BetrVG, sondern des – evangelischen oder katholischen – kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechtes fällt, oder einen öffentlichen Träger handelt, auf den das jeweilige (Landes-) Personalvertretungsgesetz Anwendung findet.
Im Übrigen sind auf das Dienstverhältnis des Chefarztes die allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetze und Rechtsinstitute grundsätzlich anwendbar. Dennoch ergeben sich im Vergleich zu üblichen Arbeitsverträgen eine Vielzahl von Besonderheiten, die zum einen aus der ärztlich-medizinischen und wirtschaftlichen Verantwortung des Chefarztes für die ihm anvertraute Abteilung oder Klinik herrühren und zum anderen aus den medizinrechtlichen Spezialitäten begründet sind, die sich für die Tätigkeit eines Chefarztes in einem Krankenhaus ergeben. Aufgrund dieser Umstände entspricht es der Praxis, den Anstellungsvertrag eines Chefarztes d...