Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
a) Die Definition des § 2 Abs. 1 TzBfG
Rz. 223
Die Frage nach dem "Wesen" der Teilzeitarbeit erscheint leicht. Die Beantwortung ist es jedoch nicht. Die gesetzliche Definition von Teilzeitarbeit ist schon auf den ersten Blick kompliziert. Zudem sind Sonderregelungen zu verschiedenen Erscheinungsformen von Teilzeitarbeit zu beachten, vor allem zum Job-Sharing (§ 13 TzBfG, siehe unten Rdn 310 ff.), zur Arbeit auf Abruf (§ 12 TzBfG, siehe unten Rdn 297 ff.), zur geringfügigen Beschäftigung (§ 2 Abs. 2 TzBfG, siehe Rdn 319 ff.) oder zur Brückenteilzeit (§ 9a TzBfG, siehe Rdn 348 ff.).
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 TzBfG ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, dessen regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Ist eine regelmäßige Wochenarbeitszeit nicht vereinbart, so ist ein Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt, wenn seine regelmäßige Arbeitszeit in Durchschnitt eines bis zu einem Jahr reichenden Beschäftigungszeitraums unter der eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers liegt. Vergleichbar ist ein vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer des Betriebs mit derselben Art des Arbeitsverhältnisses und der gleichen oder einer ähnlichen Tätigkeit. Gibt es im Betrieb keinen vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer, so ist der vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer aufgrund des anwendbaren Tarifvertrags zu bestimmen. In allen anderen Fällen ist darauf abzustellen, wer im jeweiligen Wirtschaftszweig üblicherweise als vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer anzusehen ist.
Nach § 2 Abs. 2 TzBfG sind auch geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer teilzeitbeschäftigt. Die Vorschrift gilt fort, obwohl seit dem 1.1.2004 die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit für die geringfügig Beschäftigten nicht mehr relevant ist (siehe unten Rdn 323 ff.).
b) Anwendung in der Praxis
aa) Vollzeitbeschäftigter
Rz. 224
Für die Frage, ob ein Teilzeitarbeitsverhältnis vorliegt, ist somit zu klären, welche regelmäßige Wochenarbeitszeit ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer hat. Dabei ist die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vergleichbarer Arbeitnehmer nicht gleichzusetzen mit der betriebsüblichen Arbeitszeit i.S.d. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Betriebsübliche Arbeitszeit i.S.v. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist nach der Rechtsprechung des BAG die im Betrieb regelmäßig geleistete Arbeitszeit. Maßgeblich ist der vertraglich geschuldete regelmäßige zeitliche Umfang der individuellen Arbeitsleistung. Die betriebsübliche Arbeitszeit ist nach der Rechtsprechung in einem Betrieb nicht notwendig einheitlich, sondern kann je nach Vereinbarung für verschiedene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein. Es kann in einem und denselben Betrieb mehrere betriebsübliche Arbeitszeiten geben. Bei Teilzeitbeschäftigten ist betriebsübliche Arbeitszeit deren regelmäßig verkürzte Arbeitszeit. Das gilt auch, wenn nicht alle Teilzeitbeschäftigten mit einheitlicher Wochenstundenzahl arbeiten. Betriebsüblich sind danach diejenigen Arbeitszeiten, die jeweils individualrechtlich als die üblichen vereinbart wurden.
Der "vergleichbare Vollzeitbeschäftigte" i.S.d. § 2 Abs. 1 TzBfG ist dem "vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten" i.S.d. Diskriminierungsverbots nach § 4 TzBfG gleichzusetzen. Aus der Formulierung "vergleichbare" vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist zu schließen, dass auch die Vollzeitbeschäftigung i.S.d. § 2 Abs. 1 TzBfG nicht betriebseinheitlich vorliegen muss, wie wohl dies oftmals in der Praxis der Fall sein wird. Jedoch kann es nach der Definition auch Gruppen von Vollzeitbeschäftigten mit unterschiedlichen Arbeitszeiten geben.
Rz. 225
Hinweis
Wird in einem Betrieb ein Tarifvertrag angewendet, der für alle Vollzeitarbeitnehmer eine bestimmte Arbeitszeit – z.B. 38,5 Stunden in der Woche – zugrunde legt oder besteht – ohne Anwendung eines Tarifvertrages – eine entsprechende betriebseinheitliche Regelung, so ist die Vollzeitbeschäftigung mit dieser wöchentlichen Arbeitszeit festgelegt. Wird für alle Arbeitnehmer eine bestimmte Vollarbeitszeit im Betrieb geregelt, so kommt es auf die Vergleichbarkeit denknotwendig nicht mehr an. Eine Zuordnung zu einer Gruppe ist nur dann erforderlich, wenn für abgrenzbare Gruppen von Arbeitnehmern unterschiedliche Vollarbeitszeiten im Betrieb vertraglich vereinbart sind oder aufgrund tarifvertraglicher Regelungen gelten.
Rz. 226
Beispiel
Bei der X-GmbH findet ein Tarifvertrag Anwendung, der für die Mitarbeiter der Verwaltung eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden regelt. Für die Mitarbeiter des Außendienstes gilt eine tarifliche Regelung, die eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 37 Stunden vorsieht. Arbeitnehmer A arbeitet in der Verwaltung mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden. Er ist vollzeit- und nicht teilzeitbeschäftigt. Mitarbeiter B arbeitet mit 35 Stunden pro Woche im Außendienst. Er ist teilzeitbeschäftigt.