Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 69
Die Vertretung ist ein anerkannter Befristungsgrund. Vertretung ist der vorübergehende Ersatz für den zeitweiligen Ausfall eines Stammarbeitnehmers (z.B. wegen Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit, Beurlaubung, Wehr- oder Zivildienst, Abordnung ins Ausland, Freistellung von BR-/PR-Mitgliedern). Ein "anderer Arbeitnehmer" kann auch ein Beamter sein. Die Vertretung ist auch zulässig für den Fall, dass ein Stammarbeitnehmer befristet mit höherwertigen Tätigkeiten betraut wurde und deshalb die auf dem eigentlichen Arbeitsplatz anfallenden Arbeiten vorübergehend nicht erledigt werden können.
Rz. 70
Die vorübergehende Beschäftigung eines Arbeitnehmers darf grds. nicht der Freihaltung eines Arbeitsplatzes bis zur Besetzung durch einen anderen Arbeitnehmer dienen, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bereits vertraglich fest gebunden oder aber ein Azubi soll in das entsprechende Arbeitsverhältnis übernommen werden, ohne dass es hier einer festen Bindung des Arbeitgebers bedürfte.
Rz. 71
Der Sachgrund der Vertretung bedarf einer – darleg- und beweisbaren – Prognose des Arbeitgebers, dass der Vertretungsbedarf zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt wieder endet. Im Vertrag muss er grds. zur Wirksamkeit der Vertretung ebenso wenig genannt werden wie der Vertretene. Vertretungsbedarf besteht, solange mit der Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers zu rechnen ist, z.B. auch bei längerfristiger Arbeitsunfähigkeit, ohne dass sich der Arbeitgeber nach der Wahrscheinlichkeit der Rückkehr erkundigen müsste, es sei denn, er müsste berechtigte Zweifel an der Rückkehr des Arbeitnehmers haben, oder bei Beurlaubung/Freistellung. In diesen Fällen kann der Arbeitgeber regelmäßig mit einer Rückkehr des Arbeitnehmers rechnen. Im Falle der Abordnungsvertretung gilt jedoch ein strengerer Prognosemaßstab, da die Rückkehrmöglichkeit maßgeblich von der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers abhängig ist.
Rz. 72
Eine Zweckbefristung zur Elternzeitvertretung nach § 21 Abs. 1, 3 BEEG setzt nicht voraus, dass die Stammkraft zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Vertretungskraft bereits ein den Anforderungen des § 16 Abs. 1 S. 1 BEEG genügendes Elternzeitverlagen geäußert hat. Unklar ist, ob die Einarbeitungszeit, die § 21 Abs. 2 BEEG erlaubt, auch für die Vertretungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gilt. Dies dürfte der Fall sein; § 23 TzBfG steht dem nicht entgegen, und auch die Prognose des Arbeitgebers wird durch die Berücksichtigung einer Einarbeitungszeit nicht fehlerhaft.
Rz. 73
Die Vertretung darf den Vertretungszeitraum und -umfang nicht überschreiten, aber hinter dem Vertretungsbedarf zurückbleiben. Die wiederholte und längerfristige Vertretung ist möglich, solange der Sachgrund der Vertretung jeweils vorliegt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Personalreserve zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs zu bilden. Allerdings kann sowohl die Häufigkeit der Befristungen als auch die Gesamtbefristungsdauer Indiz für Rechtsmissbrauch, das Fehlen eines Sachgrundes bzw. Indikator für Dauervertretungsbedarf sein (vgl. Rdn 28 f.). Dauervertretungsbedarf rechtfertigt die Befristung nicht. Ein Dauerbedarf liegt jedoch nicht vor, wenn die fachlichen, örtlichen und zeitlichen Anforderungen an die jeweils zu besetzende Stelle verschieden sind.
Rz. 74
Grundsätzlich kommt auch eine mittelbare Stellvertretung in Betracht. Diese liegt vor, wenn der ausfallende Arbeitnehmer von einem oder mehreren anderen Stammarbeitnehmern vertreten wird, deren Aufgaben wiederum der befristet eingestellte Vertreter erfüllen soll. Die Vertretungskette und den jeweils ursächlichen Zusammenhang einschließlich der Umorganisation der Arbeit muss der Arbeitgeber ggf. darlegen und beweisen können. An dem Kausalzusammenhang kann es fehlen, wenn bereits zum Zeitpunkt des befristeten Vertrags feststeht, dass der Stammarbeitnehmer, der den ausfallenden Arbeitnehmer unmittelbar vertritt, nicht mehr auf seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Im Schulbereich hat das BAG in Erweiterung dieser Grundsätze nur die Darlegung des – sogar schultypübergreifenden – Gesamtvertretungsbedarfs ausreichen lassen. Zuletzt hat das BAG ausdrücklich offengelassen, ob es an dieser Rechtsprechung festhält.
Überträgt der Arbeitgeber dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben, die der ausfallende Arbeitnehmer selbst nie ausgeübt hat, aber kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers rechtlich und tatsächlich erfüllen könnte, ist von einer Vertretung in Form einer "gedanklichen Zuordnung" die Rede. Auch diese ist grundsätzlich zulässig. Müsste sich der ausfallende Stammarbeitnehmer erst in die neuen Aufgaben einarbeiten, steht dies einer Befristung des Vertretungsarbeitsverhältnisses nicht entgegen, sofern die Einarbeitungszeit nicht die gesamte Dauer der Befristung ausmacht. Der Arbeitgeber hat in den Fälle...