Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 69
Die Vertretung ist ein anerkannter Befristungsgrund. Vertretung ist der vorübergehende Ersatz für den zeitweiligen Ausfall eines Stammarbeitnehmers (z.B. wegen Krankheit, Mutterschutz, Elternzeit, Pflegezeit, Beurlaubung, Wehr- oder Zivildienst, Abordnung ins Ausland, Freistellung von BR-/PR-Mitgliedern). Ein "anderer Arbeitnehmer" kann auch ein Beamter sein. Die Vertretung ist auch zulässig für den Fall, dass ein Stammarbeitnehmer befristet mit höherwertigen Tätigkeiten betraut wird und deshalb die auf dem eigentlichen Arbeitsplatz anfallenden Arbeiten vorübergehend nicht erledigt werden können. Die Befristung eines selbst während der gesamten Vertragsdauer Arbeitsunfähigen ist nicht gerechtfertigt. Bei der AÜ kann nur ein anderer Leiharbeitnehmer vertreten werden. Auf den Vertretungsbedarf beim Entleiher kommt es nicht an.
Rz. 70
Die vorübergehende Beschäftigung eines Arbeitnehmers darf grds. nicht der Freihaltung eines Arbeitsplatzes bis zur Besetzung durch einen anderen Arbeitnehmer dienen, es sei denn, der Arbeitgeber hat sich bereits vertraglich fest gebunden oder aber ein Auszubildender soll in das entsprechende Arbeitsverhältnis übernommen werden, ohne dass es hier einer festen Bindung des Arbeitgebers bedürfte (s.a. Rdn 129).
Rz. 71
Der Sachgrund der Vertretung bedarf einer – darleg- und beweisbaren – Prognose des Arbeitgebers, dass der Vertretungsbedarf zu einem bestimmten späteren Zeitpunkt wieder endet. Im Vertrag muss er grds. zur Wirksamkeit der Vertretung ebenso wenig genannt werden wie der Vertretene (vgl. aber Rdn 31, 34). Vertretungsbedarf besteht, solange mit der Rückkehr des vertretenen Arbeitnehmers zu rechnen ist, z.B. auch bei längerfristiger Arbeitsunfähigkeit, ohne dass sich der Arbeitgeber nach der Wahrscheinlichkeit der Rückkehr erkundigen müsste, es sei denn, er müsste berechtigte Zweifel an der Rückkehr des Arbeitnehmers haben, oder bei Beurlaubung/Freistellung. Im Falle der Abordnungsvertretung gilt jedoch ein strengerer Prognosemaßstab, da die Rückkehrmöglichkeit maßgeblich von der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers abhängig ist.
Rz. 72
Zur Vertretung während Mutterschutz, Elternzeit und Freistellungen zur Kinderbetreuung nach § 21 BEEG s. Rdn 179 ff. Unklar ist, ob die Einarbeitungszeit, die § 21 Abs. 2 BEEG erlaubt, auch für die Vertretungen nach § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 TzBfG gilt. Dies dürfte der Fall sein; § 23 TzBfG steht dem nicht entgegen, und auch die Prognose des Arbeitgebers wird durch die Berücksichtigung einer Einarbeitungszeit nicht fehlerhaft.
Rz. 73
Die Vertretung darf den Vertretungszeitraum und -umfang nicht überschreiten, aber hinter dem Vertretungsbedarf zurückbleiben. Die wiederholte und längerfristige Vertretung ist möglich, solange der Sachgrund der Vertretung jeweils vorliegt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Personalreserve zur Deckung eines ständigen Vertretungsbedarfs zu bilden. Allerdings können die Häufigkeit der Befristungen und die Gesamtbefristungsdauer Indiz für Rechtsmissbrauch sein (vgl. Rdn 28 f.).
Rz. 74
Bei der unmittelbaren Vertretung vertritt der befristet eingestellte Arbeitnehmer die vorübergehend ausfallende Stammarbeitskraft unmittelbar. Es besteht ein Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Beschäftigung der Vertretungskraft. Grds. kommt auch eine mittelbare Vertretung in Betracht. Sie liegt vor, wenn der ausfallende Arbeitnehmer von einem oder mehreren anderen Stammarbeitnehmern vertreten wird, deren Aufgaben wiederum der befristet eingestellte Vertreter erfüllen soll; die Vertretungskette und den jeweils ursächlichen Zusammenhang einschließlich der Umorganisation der Arbeit muss der Arbeitgeber ggf. darlegen und beweisen können. An dem Kausalzusammenhang kann es fehlen, wenn bereits zum Zeitpunkt des befristeten Vertrags feststeht, dass der Stammarbeitnehmer, der den ausfallenden Arbeitnehmer unmittelbar vertritt, nicht mehr auf seinen ursprünglichen Arbeitsplatz zurückkehren wird. Im Schulbereich hat das BAG in Erweiterung dieser Grundsätze nur die Darlegung des – sogar schultypübergreifenden – Gesamtvertretungsbedarfs ausreichen lassen. Nachdem es zwischenzeitlich ausdrücklich offengelassen hatte, ob es an dieser Rspr. festhält, räumte es der Personalplanung des Schulbetriebs nachfolgend "branchentypische Besonderheit" ein.
Überträgt der Arbeitgeber dem befristet beschäftigten Arbeitnehmer Aufgaben, die der ausfallende Arbeitnehmer selbst nie ausgeübt hat, aber kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers rechtlich und tatsächlich erfüllen könnte, ist von einer Vertretung in Form einer "gedanklichen Zuordnung" die Rede. Auch diese ist grds. zulässig. Der Arbeitgeber hat jedoch den Kausalzusammenhang derart darzulegen, dass bei Vertragsschluss die Aufgaben des Vertreters nach außen erkennbar gedanklich einem oder mehreren abwesenden Beschäftigten z...