Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 93
Die Befristung zur Erprobung ist anerkannt. Ihr steht nicht entgegen, dass ein TV die Probezeit in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis vorsieht. Der Arbeitgeber ist unabhängig von der Bewährung des Arbeitnehmers grds. frei in der Entscheidung, im Anschluss an die befristete Erprobung einen unbefristeten Arbeitsvertrag zu schließen. Wenn der Arbeitnehmer allerdings Indizien für den Weiterbeschäftigungswillen des Arbeitgebers darlegen und beweisen kann, kann ausnahmsweise die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung bestehen.
Rz. 94
Die Befristung setzt die Erforderlichkeit der Erprobung voraus, weil der Arbeitnehmer die Tätigkeit bei dem Arbeitgeber noch nicht ausgeübt hat, die Beschäftigung schon länger zurückliegt oder deutlich andere Anforderungen stellt. Lag etwa bereits eine sachgrundlose Befristung gem. § 14 Abs. 2 TzBfG hinsichtlich der gleichen Aufgaben vor, kommt eine weitere Erprobung nicht in Betracht (vgl. auch Rdn 98). Nicht einheitlich beurteilt wird die Frage, ob der Sachgrund der Erprobung nach Abschluss eines Ausbildungsverhältnisses zulässig ist.
Rz. 95
Praxishinweis
War der Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber nicht zuvor beschäftigt oder greift ausnahmsweise (und sicher bestimmbar) das Anschlussverbot nicht ein (vgl. Rdn 140), sollte regelmäßig die sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgezogen werden, weil sie die "Erprobung" bis zu zwei Jahren ermöglicht. Der Hinweis auf die Erprobung und damit auf § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 TzBfG sollte dann allerdings vorsorglich (vgl. Rdn 34) unterbleiben.
Rz. 96
Entgegen früherer Rspr. ist die Angabe des Erprobungszwecks im Vertrag nicht erforderlich. Jedoch muss darauf geachtet werden, dass die Befristung deutlich wird. Denn anderenfalls liegt ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit vorgeschalteter Probezeit vor, das nicht automatisch mit der Probezeit endet.
Rz. 97
Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass ein Formulararbeitsvertrag nicht die Befristungsdauer insgesamt hervorhebt (z.B. ein Jahr), ohne die gleichzeitige Befristung zur Erprobung bis zur Dauer von sechs Monaten gleichermaßen hervorzuheben; denn dann ist die Befristung zur Erprobung nach § 305c Abs. 1 BGB überraschend.
Rz. 98
Hinsichtlich der zulässigen Dauer der befristeten Erprobung galt lange ausschließlich der Maßstab der §§ 1 Abs. 1 KSchG, 622 Abs. 3 BGB; damit galt ein Zeitraum von sechs Monaten auch im befristeten Arbeitsverhältnis generell als angemessen. Seit dem 1.8.2022 gilt durch die Einführung des (neuen) § 15 Abs. 3 TzBfG nunmehr (ausdrücklich), dass eine Probezeit im befristeten Arbeitsverhältnis im Verhältnis zu der erwarteten Dauer der Befristung und der Art der Tätigkeit stehen muss. Anderenfalls ist die Probezeitvereinbarung unverhältnismäßig, sodass eine Probezeit nicht wirksam vereinbart wurde und die kurze Kündigungsfrist von zwei Wochen aus § 622 Abs. 3 BGB nicht gilt. Str. ist, ob die der Probezeit zugrunde liegende Kündbarkeit des Vertrags insgesamt entfällt, § 139 BGB. Auswirkungen auf den Kündigungsschutz bzw. die Wartezeit für den Kündigungsschutz (vgl. dazu Rdn 46 f.) ergeben sich mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung durch § 15 Abs. 3 TzBfG nicht.
Welche Dauer der Probezeit nun im Einzelfall angemessen ist, ist bislang ungeklärt. Teils wird davon ausgegangen, dass sie im befristeten Arbeitsverhältnis regelmäßig kürzer als sechs Monate zu sein hat, jedenfalls wenn dieses für bis zu zwölf Monaten geschlossen wird. Teils wird 25 % der vereinbarten Vertragsdauer für angemessen gehalten, also drei Monate bei einer Befristungsdauer von zwölf Monaten, teils 50 % der vereinbarten Vertragsdauer, also sukzessive bis zu sechs Monaten bei zwölfmonatiger Laufzeit. Vertretbar erscheint aber auch weiterhin eine sechsmonatige Erprobungszeit als Regel. Jedenfalls bei sehr einfachen Tätigkeiten kann lediglich eine besonders kurze Erprobung zulässig sein. Gleiche Funktion und gleiche Aufgaben erlauben keine neue Probezeit (vgl. auch Rdn 94).
Ansonsten galt schon vor der Einführung des neuen § 15 Abs. 3 TzBfG, dass kürzere, seltener längere oder sogar erneute Erprobungen in Betracht kommen, die Erprobungszeit im angemessenen Verhältnis zu der in Aussicht genommenen Tätigkeit stehen muss und anwendbare Tarifverträge die als ausreichend angesehene Erprobungszeit bestimmen. Dabei bleibt es. Die § 15 Abs. 3 TzBfG zugrunde liegende RL (EU) 2019/1152 selbst erwähnt eine mögliche Rechtfertigung von länger als sechs Monate dauernden Probezeiten in Ausnahmefällen, etwa wenn diese durch die Art der Tätigkeit (z.B. Leitungs- oder Führungsfunktionen oder Stellen des öffentlichen Dienstes) gerechtfertigt oder im Interesse des Arbeitnehmers ist (z.B. aufgrund spezifischer Maßnahmen zur Förderung dauerhafter Beschäftigung, insb. für junge Arbeitnehmer) oder in Fällen, in denen der Arbeitnehmer während der Probezeit der Arbeit ferngebli...