Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
a) Begriffsbestimmung und Rechtsgrundlagen
Rz. 767
Die Basis ist der Vertrag. Er legt die Bedingungen der Zusammenarbeit fest. Maßgeblich für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses als Arbeitsverhältnis oder als "freies" Dienstverhältnis ist die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses. Auf die Bezeichnung der Vereinbarung als "Arbeitsvertrag", "Dienstvertrag" oder "Vertrag über freie Mitarbeit" kommt es also nicht an. Für den Arbeitsvertrag ist dies in § 611a Abs. 1 S. 6 BGB klargestellt. Dies gilt aber nur dann, wenn die Parteien ein Arbeitsverhältnis nicht gewollt haben, denn die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Haben die Parteien dagegen ein Arbeitsverhältnis vereinbart, so ist es in aller Regel auch als solches einzuordnen. Die Parteien können autonom den Schutz des Vertragspartners erhöhen, etwa indem sie ihn in den Geltungsbereich arbeitsrechtlicher Normen einbeziehen. Es ist also möglich und zulässig, einen Dienstvertrag als Arbeitsvertrag abzuschließen. Das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis ist allerdings dem Parteiwillen entzogen. Versicherungspflicht, Versicherungsfreiheit und freiwillige Versicherung beurteilen sich allein nach den gesetzlichen Bestimmungen.
Die im Einzelfall vorzunehmende Einordnung des Vertragsverhältnisses erfolgt primär anhand des Merkmals der persönlichen Abhängigkeit.
aa) Arbeitnehmer und Selbstständige
Rz. 768
Der Gesetzgeber hatte viele Jahre den Begriff des "Arbeitnehmers" nicht definiert. Nach dem Verständnis von Rechtsprechung und Literatur war Arbeitnehmer, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Diese Grundsätze finden sich seit dem 1.4.2017 in § 611a BGB. Dieser regelt zwar den Arbeitsvertrag bzw. das Arbeitsverhältnis, damit mittelbar aber auch den Arbeitnehmerbegriff. Die bisherigen Kriterien für die Definition des Arbeitnehmers sind damit Gesetz geworden. Inhaltlich hat sich nichts geändert.
Rz. 769
Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist der Grad der persönlichen Abhängigkeit. Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist hingegen für die Beurteilung des Status regelmäßig nicht von Bedeutung. Ob eine persönliche Abhängigkeit und damit ein Arbeitsverhältnis besteht, beurteilt sich anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände (§ 611a Abs. 1 S. 5 BGB). Besonderes Gewicht hat das Weisungsrecht des Dienstberechtigten. Das Weisungsrecht kann gem. § 611a Abs. 1 S. 2 BGB Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Andere Kriterien, wie bspw. der Grad der Eingliederung in den Betrieb oder das bestehende bzw. fehlende Unternehmerrisiko sind nur zusätzliche Indizien.
bb) Arbeitnehmerähnliche Personen
Rz. 770
Beschäftigte, die nicht oder nur in geringem Maße weisungsgebunden tätig werden, aber aufgrund ihrer ausschließlichen oder überwiegenden Tätigkeit für ein Unternehmen in besonderer Weise von diesem wirtschaftlich abhängig und ihrer gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sind, werden als "arbeitnehmerähnliche Personen" bezeichnet. Sie sind Arbeitnehmern in einigen Bereichen des Arbeitsrechts ausdrücklich gleichgestellt (z.B. beim gesetzlichen Urlaubsanspruch), trotzdem aber Selbstständige.
Rz. 771
Ob ein vergleichbares Maß an Schutzbedürftigkeit besteht, muss – wie bei der Arbeitnehmereigenschaft – anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung ermittelt werden. Eine arbeitnehmerähnliche Schutzbedürftigkeit besteht jedenfalls dann nicht, wenn der Betroffene wesentliche Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt. Eine Schutzbedürftigkeit liegt auch dann nicht vor, wenn der Selbstständige seinerseits wie ein Unternehmer eigene Angestellte beschäftigt. Arbeitnehmerähnliche Personen haften nur beschränkt wie Arbeitnehmer, wenn sie wie Arbeitnehmer über die wirtschaftliche Abhängigkeit hinaus in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sind.