Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
a) Abschlussfreiheit
Rz. 566
Eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss einer Wiedereingliederungsmaßnahme besteht für beide Vertragsparteien in der Regel nicht. Begründet wird dies zum einen mit dem Wortlaut des § 74 SGB V, nach dem Versicherte und Arbeitgeber eine stufenweise Wiedereingliederung vereinbaren "können", ohne dass eine Verpflichtung beider Parteien begründet wird, und darüber hinaus auch aus dem Willen des Gesetzgebers. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann der Arbeitgeber aber gegenüber einem Schwerbehinderten oder einem Arbeitnehmer, der einem Schwerbehinderten gleichgestellt ist, nach § 164 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX verpflichtet sein, ihn im Wege einer stufenweisen Wiedereingliederung zu beschäftigen, wenn eine ärztliche Bescheinigung vorliegt, die neben der attestierten Arbeitsunfähigkeit einen Wiedereingliederungsplan über die aus ärztlicher Sicht zulässige Arbeit enthält. Die ärztliche Bescheinigung muss zudem eine Prognose darüber enthalten, ob und wann mit einer Wiederherstellung der vollen oder teilweisen Arbeitsfähigkeit zu rechnen ist. Verletzt der Arbeitgeber gegenüber einem Schwerbehinderten oder gleichgestellten seine Pflicht nach § 164 Abs. 4 S. 1 SGB IX, z.B. durch Weigerung des Abschlusses einer Wiedereingliederungsvereinbarung oder Durchführung derselben, kann er sich gegebenenfalls gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig machen. Betriebsvereinbarungen über die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements können Verpflichtungen des Arbeitgebers zum Abschluss einer Wiedereingliederungsmaßnahme enthalten.
b) Vergütung
Rz. 567
Da der Arbeitnehmer im Wiedereingliederungsverfahren zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung außer Stande ist und sie im Hinblick auf seine andauernde Arbeitsunfähigkeit auch nicht erbringen kann, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Entgelts gegen den Arbeitgeber während der Dauer der Wiedereingliederung nicht. Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer auch nicht Vergütung aus Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nur eine Tätigkeit im Rahmen der Wiedereingliederung anbietet. Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers während der Wiedereingliederungszeit entstehen soll, sollte in der Wiedereingliederungsvereinbarung geregelt werden. Bleibt diese Frage in der Vereinbarung ungeklärt, kann möglicherweise ein Anspruch des Arbeitnehmers aus § 612 Abs. 1 BGB entstehen. Sofern dem Mitarbeiter eine Vergütung während der Zeit der Wiedereingliederung gezahlt werden soll, muss sie nicht der Qualifikation und vertraglich vereinbarten Vergütung des Arbeitnehmers aus dem ruhenden Arbeitsverhältnis entsprechen, weil nicht die Erbringung der Arbeitsleistung geschuldet ist, sondern die Beschäftigung allein der Rehabilitation des Arbeitnehmers dient. Eine Verpflichtung, während der Wiedereingliederung den gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG zu zahlen, gibt es nach der überwiegend vertretenden Auffassung nicht. Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich des MiLoG in § 1 ist die Erbringung von Arbeitsleistung, die auch nach den bis zum Inkrafttreten des MiLoG geltenden Kriterien als vergütungspflichtig anzusehen war. Die Verpflichtung zur Erbringung vollwertiger Arbeitsleistung besteht während der Wiedereingliederungsphase, in der der Arbeitnehmer noch arbeitsunfähig ist, aber gerade nicht. Da die Hauptleistungspflichten während des Wiedereingliederungsverhältnisses ruhen, wird die Zeit der Wiedereingliederung nach dem Recht der Arbeitsförderung als Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 137 SGB IX angesehen. Während der stufenweisen Wiedereingliederung entfällt deshalb auch nicht ein etwaiger Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld.
c) Urlaub
Rz. 568
Während des Wiedereingliederungsverhältnisses ist der Urlaubsanspruch nicht erfüllbar und kann daher nicht gewährt werden. Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des arbeitsvertraglich und gesetzlich begründeten Urlaubsanspruches ist nämlich, dass für die Zeit des Urlaubswunsches des Arbeitnehmers eine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht besteht. Während...