Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
a) Arbeit auf Abruf
aa) Grundsätze
Rz. 288
Arbeit auf Abruf ist in § 12 TzBfG geregelt. Die Vorschrift ist zuletzt durch das Arbeitsbedingungengesetz im Jahre 2022 geändert worden. Sie bezieht sich nur auf Teilzeitarbeitsverhältnisse. Sollen bei Vollzeitarbeit ähnliche Konstellationen vereinbart werden, gelten die Kontrollinstrumente des allgemeinen Rechts (§§ 134, 138, 242, 307 ff. BGB; § 106 GewO). Die Arbeitsbedingungen sind dem Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 NachwG nachzuweisen.
Arbeit auf Abruf ist von anderen Tatbeständen, die den flexiblen Einsatz von Arbeitnehmern regeln sollen, abzugrenzen, z.B. von
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Gleitzeit |
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Bereitschaftsdienst |
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Anordnung von Überstunden |
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Rahmenvereinbarungen |
Bei der Vereinbarung von Arbeit auf Abruf müssen im Vergleich zur Teilzeitarbeit weitere Gesichtspunkte für die vertragliche Regelung beachtet werden.
Die Arbeit auf Abruf muss im Vertrag ausdrücklich vereinbart werden. Es muss sich aus der vertraglichen Regelung hinreichend deutlich ergeben, dass der Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf leisten soll. Eine Anweisung im Wege des Direktionsrechts ist nicht möglich. § 12 Abs. 1 S. 1 TzBfG ist "gesetzliche Vorschrift" i.S.d. § 106 S. 1 GewO. Die Vereinbarung für Abrufarbeit ist nach § 2 NachwG als sonstige wesentliche Vertragsbedingung im Arbeitsvertrag festzulegen.
bb) Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit
Rz. 289
Es muss – wie in jedem Arbeitsvertrag – eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 und 3 TzBfG – zumindest konkludent – vertraglich geregelt sein. Geschieht dies nicht, gilt nach Satz 3 eine Arbeitszeit von 20 Stunden in der Woche als vereinbart. Es handelt sich um eine zwingende gesetzliche Fiktion. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt. Zulässig ist auch die Vereinbarung einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit. Dafür spricht, dass sogar hinsichtlich der Dauer eine flexible Festlegung der Arbeitszeit nach § 12 Abs. 2 TzBfG zulässig ist. So können Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag aber auch eine bestimmte Mindestdauer für die wöchentliche Arbeitszeit festlegen. Es kann dann vereinbart werden, dass der Arbeitgeber mit einer angemessenen Ankündigungsfrist – z.B. an einem Montag für die Folgewoche – eine höhere Arbeitsleistung von dem Arbeitnehmer abruft bzw. eine Absenkung der festgelegten Dauer mitteilt. Der abrufbare Teil der Arbeitsleistung darf nach § 12 Abs. 2 TzBfG nicht mehr als 25 %, eine mögliche Absenkung nicht mehr als 20 % betragen. Eine Kombination beider Varianten ist jedoch nicht möglich.
Rz. 290
Beispiel
"Die wöchentliche Arbeitszeit beträgt 20 Stunden. Sie verteilt sich gleichmäßig mit je vier Stunden auf Montag bis Freitag. Für die Lage der Arbeitszeit ist die Betriebsvereinbarung vom (…) maßgeblich. Der Arbeitgeber kann mit einer Ankündigungsfrist von vier Tagen für die darauffolgende Woche die Leistung von bis zu fünf weiteren Arbeitsstunden abrufen. Die Verteilung erfolgt dann vorbehaltlich anderweitiger Anweisung mit Zustimmung des Betriebsrats wie folgt (…)."
Rz. 291
Eine solche flexible Regelung der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit wird dem Erfordernis gerecht, dass nach § 12 Abs. 1 S. 3 auch eine bestimmte Stundenzahl pro Tag festgelegt werden muss (siehe unten Rdn 293). Zu beachten ist, dass bei Teilzeitarbeitnehmern mit einer höheren Stundenzahl die Ausschöpfung der 25 %-Grenze dazu führen kann, dass die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit überschritten wird. Ruft der Arbeitgeber in diesem Umfang die Arbeitszeit ab, können für die überschießende Arbeitszeit ggf. Überstundenzuschläge zu zahlen sein (siehe oben Rdn 240).
Rz. 292
Beispiel
Bei der X-GmbH findet ein Tarifvertrag Anwendung, der eine wöchentliche Arbeitszeit von 25 Stunden regelt. Der A ist Teilzeitarbeitnehmer mit einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche. Nach der arbeitsvertraglichen Regelung behält sich der Arbeitgeber vor, bis zu 25 % Arbeitszeit, d.h., 7,5 Stunden, mehr abzurufen. Geschähe dies im vollen Umfange, wären ggf. für die über die 35 Stunden hinausgehenden 2,5 Stunden Überstundenzuschläge zu zahlen. Maßgeblich sind jedoch die Regelungen im Einzelfall.