Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 482
Unter den im ersten Bildungsweg durchgeführten dualen Studiengängen im engeren Sinne ist zwischen dem sog. ausbildungsintegrierenden dualen Studium, das eine auf einen IHK/HWK-Abschluss zielende Berufsausbildung mit einem Bachelorstudiengang kombiniert, und dem hier im Vordergrund stehenden praxisintegrierenden dualen Studium zu unterscheiden. Die Unterscheidung ist für die rechtliche Einordnung zentral, da beim ausbildungsintegrierenden dualen Studium für den – meist vorgelagerten – Ausbildungsteil uneingeschränkt das BBiG gilt. In Bezug auf den daran anschließenden, auf das Studium bezogenen Teil ist das BBiG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nicht anwendbar. Auf das praxisintegrierende duale Studium, in dem allein ein Fachhochschulabschluss erworben wird, wird das BBiG gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG hingegen in keiner Studienphase, also generell nicht angewendet. Zur Regelung des ausbildungsintegrierenden dualen Studiums bietet sich eine gestufte Vertragsgestaltung an. Während für den Ausbildungsteil (erste Stufe) auf die Darstellung zum Ausbildungsverhältnis zu verweisen ist, kann für den Studienteil (zweite Stufe) ein Durchführungsvertrag entsprechend dem nachfolgenden Muster vereinbart werden.
Rz. 483
Sozialversicherungsrechtlich hat die Unterscheidung von Ausbildung und dualem Studium keine Bedeutung mehr. Nach § 5 Abs. 4a S. 2 SGB V stehen Teilnehmer an dualen Studiengängen den Beschäftigten zur Berufsausbildung seit dem 1.1.2012 gleich und unterliegen daher nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V der Sozialversicherungspflicht. Im Gegensatz zu anderen Studierenden sind sie nicht mehr nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V von der Versicherungspflicht befreit.
Rz. 484
Es ist stets problematisch, ob der Durchführungsvertrag für das duale Studium als Arbeitsvertrag oder als Vertrag sui generis einzuordnen ist. Einigkeit dürfte darüber bestehen, dass diese Frage anhand des Abgrenzungskriteriums entschieden werden muss, ob die Erbringung von Arbeitsleistungen oder der Ausbildungszweck im Vordergrund steht. Fraglich ist aber, ob diese Formel eher streng oder großzügig zu handhaben ist und somit der typische Regelfall eines praxisintegrierten Dualstudiengangs mit weisungsabhängiger vergüteter Vollzeitarbeit außerhalb der Vorlesungszeiten im Ergebnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist. Dies verneint die bislang h.M. Diese Einschätzung ist jedoch zweifelhaft. Das BAG wertete ein angebliches Praktikum bereits deshalb als Arbeitsverhältnis, weil eine Anwesenheitspflicht im Zeitumfang von fast einer Vollzeitstelle vorgesehen war und Geldleistungen nicht als Aufwandsentschädigung, sondern mit Entgeltcharakter gewährt wurden. Bereits deshalb stünde die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund. Diese Kriterien werden auch durch typische Dualstudiengänge erfüllt, bei denen die Vergütungshöhe oft gestuft nach dem Ausbildungsstand und daher offensichtlich mit Entgeltfunktion festgelegt wird. Eine rechtssichere Vertragsgestaltung sollte deshalb nach Möglichkeit nur Bestimmungen enthalten, die auch unter Anwendung des Arbeitsrechts wirksam wären. Umgekehrt fördert es die Rechtssicherheit, kraft Gesetzes nur auf Arbeitsverhältnisse anwendbare Vorschriften ausdrücklich in den Vertragstext aufzunehmen, damit die Frage, ob Arbeitsrecht anwendbar ist oder nicht, sich nicht auf das Ergebnis der Vertragsauslegung auswirkt. Diesen Gedanken setzt der nachgehende Mustervertrag um.
Rz. 485
Stuft man den Durchführungsvertrag für ein duales Studium nicht als Arbeitsvertrag ein, stellt sich die Folgefrage, ob diejenigen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften Anwendung finden, welche auch bestimmte arbeitsvertragsähnliche Ausbildungsverhältnisse außerhalb des BBiG erfassen. So ist zunächst denkbar, dass es sich bei Studierenden in dualen Studiengängen um nach § 26 BBiG geschützte Personen handelt, die eingestellt werden, um berufliche Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten oder berufliche Erfahrungen zu erwerben, ohne dass es sich um eine Berufsausbildung im engeren Sinne handelt. Das BAG wendet § 26 BBiG jedoch nicht an, wenn die Praxisphasen des dualen Studiums durch staatliche Entscheidung, insbesondere durch Regelung in einer öffentlich-rechtlichen Studien- und Prüfungsordnung anerkannt sind, selbst wenn die Beziehung zum Unternehmen durch privatrechtlichen Vertrag geregelt ist. Damit erfasst die Vorschrift die allermeisten dualen Studiengänge nicht.
Zum betriebsverfassungsrechtlichen Berufsausbildungsbegriff nach § 5 Abs. 1 BetrVG hat das BAG dagegen entschieden, dass dieser die Praxisphasen eines dualen Studiums erfasst, wenn die Vertragsbeziehung zwischen dem Studierenden und dem Unternehmen nach dem in der Studienordnung zum Ausdruck kommenden Willen der Hochschule privatrechtlich ausgestaltet werden soll. Das BAG betonte, dass die Anwendbarkeit des § 26 BBiG (§ 19 BBiG a.F.) für die Auslegung des § 5 Abs. 1 BetrVG keine Rolle spiele, und geht somit von zwei unterschiedlichen Berufsausbil...