Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
(1) Regelungen in § 2 Abs. 2 TzBfG
Rz. 315
Nach § 2 Abs. 2 TzBfG ist auch ein Arbeitnehmer, der eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ausübt, teilzeitbeschäftigt. Das spricht für eine Gleichbehandlung mit "normalen" Teilzeitbeschäftigten auch hinsichtlich des Diskriminierungsverbots (siehe auch Rdn 317).
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 TzBfG werden Kurzzeitbeschäftigte nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV (siehe oben Rdn 311) aber anderen Teilzeitbeschäftigten nicht gleichgestellt. Das folgt daraus, dass sie auch befristet in Vollzeit eingesetzt werden können. Für das Diskriminierungsverbot des § 4 Abs. 1 TzBfG heißt das, dass der Gesetzgeber kurzfristig Beschäftigte jedenfalls dem generellen Schutz des TzBfG und seines Diskriminierungsverbotes für Teilzeitbeschäftigte unterworfen hat. Anwendbar bleibt jedoch der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Wertentscheidung des Gesetzgebers wird man jedoch so interpretieren müssen, dass die kurzzeitige Beschäftigung an sich einen sachlichen Grund für eine Ungleichbehandlung darstellen kann, auch oder gerade wenn sie in Teilzeittätigkeit ausgeübt wird.
Darüber hinaus wird § 2 Abs. 2 TzBfG weitgehend klarstellende Funktion beigemessen. Es soll deutlich gemacht werden, dass geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer keine Beschäftigten "zweiter Klasse" sind. Darüber hinaus soll der Vorschrift kein eigenständiger Regelungsbereich zukommen. § 2 Abs. 2 TzBfG dürfte jedoch letztlich durch die Streichung der zeitlichen Begrenzung geringfügiger Beschäftigung auf 15 Stunden pro Woche im Jahre 2004 auch insoweit kaum noch Bedeutung haben.
Die Frage der Anwendung des § 4 Abs. 1 TzBfG, des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bzw. Art. 3 Abs. 1 GG stellt sich bei geringfügig Beschäftigten in verschiedener Hinsicht.
(2) Ausschluss von tarifvertraglichen Regelungen
Rz. 316
Problematisch ist zunächst, ob geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages ausgeschlossen werden können. Anders als den Arbeitsvertrags- oder Betriebsparteien steht den Tarifvertragsparteien bei der Festlegung der Regelung eine Einschätzungsprärogative zu.
Die Rechtsprechung des BAG zur Befugnis der Tarifvertragsparteien, geringfügig Beschäftigte aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages auszuschließen, ist nicht eindeutig.
Der 4. Senat des BAG hat zunächst entschieden, dass es den Tarifvertragsparteien freisteht, den persönlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages bis zur Grenze der Willkür frei festzulegen. Dies soll die Tarifvertragsparteien jedoch nicht berechtigen, Teilzeitbeschäftigte gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages auszuschließen. Das BAG argumentiert, dass es in der ersten Entscheidung nicht um die Ausgrenzung einer Arbeitnehmergruppe (nämlich Werksstudenten) wegen ihrer Arbeitszeit ging. Mangels einfachgesetzlicher Grundlage sei dieser Ausschluss nur an Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 3 GG zu messen gewesen. Davon unterscheide sich der Fall der Ausgrenzung von Teilzeitbeschäftigten. Insoweit sei ein einfach gesetzliches Diskriminierungsverbot betroffen. Es gehe um die Frage, inwieweit die Tarifvertragsparteien trotz § 6 BeschFG a.F. – jetzt § 4 Abs. 1 TzBfG – an das Diskriminierungsverbot wegen Teilzeit gebunden seien. Eine Ungleichbehandlung wegen Teilzeitarbeit liege aber vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium ist, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft. Davon ausgehend wäre auf den ersten Blick im Hinblick auf § 2 Abs. 2 TzBfG zu schließen, dass eine Ausgrenzung von geringfügig Beschäftigten aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG unwirksam wäre. Dies wäre jedoch zu kurz gegriffen. Die gesetzliche Regelung des § 2 Abs. 2 TzBfG stammt aus einer Zeit, in der die geringfügige Beschäftigung nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV noch an eine Höchstarbeitszeit von 15 Stunden pro Woche gekoppelt war (siehe oben Rdn 315). Diese Bezugnahme auf die Arbeitszeit ist in § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV im Jahre 2004 gestrichen worden. Geringfügige Beschäftigung definiert sich damit ausschließlich über die Höhe des Entgelts. Wie wohl geringfügige Beschäftigung in der Praxis regelmäßig in Form von Teilzeit erbracht wird, ist schon fraglich, inwieweit die seinerzeitige "Klarstellung" danach heute noch trägt. Eine Ausgrenzung von geringfügig Beschäftigten aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrages orientiert sich jedenfalls nicht mehr an der Dauer der Arbeitszeit, sondern an der Höhe der Vergütung. Eine Ungleichbehandlung, die an die Höhe der Vergütung anknüpft, ist jedoch spezialgesetzlich nicht geregelt. Es bleibt daher dabei, dass auf Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 3 GG zurückgegriffen werden muss, sodass die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 2000 für die in Rede stehende Rechtsfrage maßgeblich sein dürfte.