Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 793
Im Gegensatz zur Vertretungsmacht betrifft die Geschäftsführungsbefugnis das Innenverhältnis zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer, mithin das "rechtliche Dürfen" im Gegensatz zum "rechtlichen Können".
Grundsätzlich obliegt dem Geschäftsführer der gesamte Bereich der Geschäftsleitung, also die Verantwortung für sämtliche personellen, sachlichen und finanziellen Entscheidungen der Gesellschaft, soweit diese nicht durch gesetzliche Regelung oder Satzungsbestimmung bzw. Entscheidung der Gesellschafterversammlung im Einzelfall einem anderen Gesellschaftsorgan, insbesondere der Gesellschafterversammlung oder einem – obligatorischen oder fakultativen – Aufsichtsrat zugewiesen sind. Die Berechtigung zur Geschäftsführung wird durch die Regelung in § 2 Abs. 1 zugleich zu einer dienstvertraglichen Verpflichtung des Geschäftsführers gemacht. Dies hat zur Folge, dass eine Verletzung der Regeln über die Geschäftsführungsbefugnis zugleich eine Verletzung der Pflichten aus dem Anstellungsvertrag des Geschäftsführers darstellt. In § 2 Abs. 1 Satz 2 wird darüber hinaus klargestellt, dass die Gesellschafterversammlung unabhängig von den generellen Aufgabenverteilungsregelungen in Gesetz oder Gesellschaftsvertrag berechtigt ist, dem Geschäftsführer im Einzelfall Weisungen in Angelegenheiten zu erteilen, die die Geschäftsführung betreffen.
Rz. 794
In mehrköpfigen Geschäftsführungen entspricht es allgemeiner Üblichkeit, die Verantwortung für die Aktivitäten der Geschäftsführer nach Ressorts oder Geschäftsbereichen zu verteilen. Damit wird abweichend von dem Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung, der im Innenverhältnis zwischen mehreren Geschäftsführern ohne ausdrücklich abweichende Regelung gilt, für den jeweiligen Geschäftsbereich die Entscheidungszuständigkeit des jeweils zuständigen Geschäftsführers begründet. Damit verbunden ist auch die Zuordnung der Verantwortung für den entsprechenden Geschäftsbereich, ohne allerdings die übrigen Geschäftsführer von der weiterhin bestehenden Gesamtverantwortung i.S.e. Kontrollpflicht zu entbinden. Eine solche Zuordnung von Ressortzuständigkeiten entspricht insbesondere in größeren Gesellschaften den praktischen Erfordernissen. Die Zuordnung der Ressortzuständigkeit kann einerseits im Anstellungsvertrag, andererseits aber auch durch eine Geschäftsordnung für die Geschäftsführung festgelegt werden. Es kann im Interesse des Geschäftsführers liegen, im Anstellungsvertrag das ihn zugeordnete Ressort festzulegen, um seine innerhalb der Geschäftsführung bestehende Zuständigkeiten vertraglich bindend zu fixieren und dadurch sicherzustellen, dass ihm seine Ressortzuständigkeit nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Zugleich wird dadurch auch der von ihm innerhalb der Geschäftsführung primär zu verantwortende Bereich nach außen erkennbar umschrieben. Diesem Bedürfnis soll § 2 Abs. 2 Rechnung tragen. Wählt man diese Vorgehensweise, muss allerdings durch die Vertragsformulierung sichergestellt sein, dass die Gesellschafterversammlung generell oder im Einzelfall berechtigt ist, die Ressortzuständigkeit durch Gesellschafterbeschluss zu verändern, um der Gesellschaft die notwendige organisatorische Flexibilität zu erhalten.
Rz. 795
Ebenfalls zum Regelungskomplex der Geschäftsführungsbefugnis gehört der in § 2 Abs. 3 des Vertragsmusters vorgeschlagene Katalog der zustimmungspflichtigen Geschäfte, die der Geschäftsführer nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung vornehmen darf. Die Regelung in § 2 Abs. 3 S. 1 geht davon aus, dass dem Geschäftsführer die Befugnis zur Vornahme aller Maßnahmen im Rahmen des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes der Gesellschaft eingeräumt ist und stellt klar, dass außergewöhnliche Geschäfte der vorherigen Zustimmung der Gesellschafterversammlung bedürfen. In dem anschließend niedergelegten Katalog sind die Rechtsgeschäfte aufgelistet, die für die Gesellschaft typischerweise außergewöhnlich sind. Von besonderer Bedeutung für die Gesellschafter ist der Vorbehalt der Zustimmung der Gesellschafterversammlung vor Auszahlungen oder Vermögenszuwendungen an Gesellschafter. Nachdem das MoMiG das gesamte bisher geltende Kapitalersatzrecht abgeschafft hat, droht den Gesellschaftern im Insolvenzfall die Rückforderung erhaltener Leistungen nach Anfechtung durch den Insolvenzverwalter nach den §§ 135, 143 Abs. 3 InsO. Hinzukommen kann unter Umständen eine Verpflichtung der anderen Gesellschafter zur Erstattung des an einen Gesellschafter ausgezahlten Betrages unter dem Gesichtspunkt des Stammkapitalschutzes.
Selbstverständlich muss der Katalog unter Berücksichtigung der jeweiligen Aktivitäten der Gesellschaft im Einzelfall auf Angemessenheit und Stimmigkeit überprüft werden. Auch die im Muster jeweils vorgesehenen Wertgrenzen sind so festzulegen, dass mit den gewählten Beträgen die gewöhnlichen von den außergewöhnlichen Geschäften stimmig abgegrenzt sind. Wählt man den Kreis der zustimmungspflichtigen Geschäfte zu weit, behinder...