Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 236
Ist eine objektive Schlechterbehandlung des Teilzeitarbeitnehmers im Verhältnis zu einem vergleichbaren Vollzeitarbeitnehmer festgestellt, ist zu prüfen, ob die Schlechterbehandlung "wegen" Teilzeitarbeit erfolgt. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer Teilzeitarbeit leistet, muss somit kausal für die Schlechterbehandlung sein. Die Ungleichbehandlung muss an dem Kriterium "Dauer der Arbeitszeit" anknüpfen. Ausreichend ist, wenn die Teilzeittätigkeit einer von mehreren tragenden Gründen für die Schlechterbehandlung ist.
Ob eine Schlechterbehandlung "wegen" Teilzeit erfolgt, ist in der Praxis nicht immer einfach festzustellen. Es ist zunächst zu klären, an welche Voraussetzungen eine Leistung oder Maßnahme anknüpft oder worauf eine bestimmte Anordnung oder Regelung des Arbeitgebers beruht. Dann ist festzustellen, ob ein maßgeblicher Grund für die Ungleichbehandlung des teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmers mit einem vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer die Dauer seiner Arbeitszeit ist. Nur wenn das der Fall ist, kann § 4 Abs. 1 TzBfG zur Anwendung kommen. Das Diskriminierungsverbot ist jedoch dann nicht einschlägig, wenn tragende Gründe für die Ungleichbehandlung andere als die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit sind. Das ist z.B. bei der Vergütung von Überstunden und der Gewährung von Jubiläumszuwendungen zu beachten.
Rz. 237
Beispiele
1. |
Arbeitnehmer A bei der X-GmbH wird mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden beschäftigt. Die tarifliche Arbeitszeit für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer beträgt 35 Stunden. Im Mai ordnet die X-GmbH an, dass A 35 Stunden pro Woche zur Vorbereitung des Jahresabschlusses arbeitet. A verlangt für die 15 mehr gearbeiteten Stunden pro Woche den tariflichen Überstundenzuschlag. |
2. |
Die Betriebsvereinbarung über Bereitschaftsdienst sieht vor, dass Arbeitnehmer im Falle der Inanspruchnahme für den Bereitschaftsdienst für alle Zeiten, die über die tarifliche Regelarbeitszeit von 35 Stunden hinausgehen, einen gestaffelten Zuschlag von 25 bis 100 % erhalten. Auch der Teilzeitbeschäftigte A leistet Bereitschaftsdienst. Wird er hierzu herangezogen, überschreitet er die 35-Stunden-Grenze jedoch regelmäßig nicht. A verlangt den Zuschlag für den Bereitschaftsdienst. |
Rz. 238
Beispiel
Die Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Arbeitnehmer nach 10-jähriger Betriebszugehörigkeit 1.000 EUR, nach 20-jähriger Betriebszugehörigkeit 2.000 EUR, nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit 5.000 EUR Jubiläumszuwendung von der X-GmbH erhalten. Zum Zeitpunkt der Auszahlung teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer sollen diese die Jubiläumszuwendungen nur anteilig im Hinblick auf die im Verhältnis zur betriebsüblichen Arbeitszeit geleisteten Stunden erhalten.
Rz. 239
Beispiel
Die X-GmbH übernimmt Tiefbauarbeiten. Sie gewährt Arbeitnehmern in den Sommermonaten von Juni bis August eine bezahlte Pause von 15 Minuten am Nachmittag zwischen 14.45 Uhr und 15.00 Uhr, um die Arbeitsbelastung bei hohen Temperaturen zu mildern. Teilzeitarbeitnehmer A arbeitet nur bis 13.00 Uhr. Er fordert ebenfalls eine bezahlte Pause von 15 Minuten.
Rz. 240
Die Nichtgewährung von Überstunden- oder Bereitschaftsdienstzulagen an Teilzeitkräfte, die die wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitkräften auch bei Inanspruchnahme für Überstunden oder Bereitschaftsdienst nicht überschreiten, stellte bislang nach der Rechtsprechung nicht per se eine Benachteiligung wegen der Teilzeitarbeit dar. Es sei darauf abzustellen, welchen Zweck die tarifliche oder arbeitsvertragliche Regelung mit dem Überstundenzuschlag verfolgt. Dabei komme es nicht auf den denkbaren, sondern den konkret feststellbaren Zweck an. Solle z.B. die Einbuße der Dispositionsmöglichkeit über die Freizeit belohnt werden, erhalte auch der Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Überstunde den Zuschlag. Solle dagegen generell eine Belastung oberhalb der Vollzeitbeschäftigung honoriert werden, erhielten Teilzeitbeschäftigte den Überstundenzuschlag erst und nur dann, wenn die Arbeitszeit zuzüglich der Überstunden die Dauer der betrieblichen Vollzeitarbeit überschreite. Diese Rechtsprechung dürfte nach neuerer Rechtsprechung des EUGH nicht mehr weitergeführt werden. Danach dürfte Teilzeitbeschäftigten regelmäßig ab der ersten Überstunde der Zuschlag zustehen.
Rz. 241
Die Nichtgewährung der Pause an den A ist keine Schlechterbehandlung wegen der Teilzeitarbeit. Zweck der Gewährung der zusätzlichen Leistung ist die besondere Belastung der Arbeitnehmer in der warmen Nachmittagszeit. Die Teilzeitarbeit ist daher nicht kausal für die Leistung. Ein Teilzeitarbeitnehmer, der nachmittags arbeiten würde, erhielte die Leistung ebenfalls. Daher liegt keine unterschiedliche Behandlung "wegen" der Teilzeitarbeit vor.