Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 916
Überwiegend wird unter Bezug auf ein Urteil des BGH aus dem Jahr 1992 davon ausgegangen, dass auch ohne ausdrückliche Vereinbarung das Verzichtsrecht des § 75a HGB, als eine den Arbeitgeber begünstigende Vorschrift, auf nachvertragliche Wettbewerbsverbote mit Organmitgliedern analog anzuwenden ist. Der BGH hatte 2002 ein Verzichtsrecht der Gesellschaft abgelehnt, ohne die Frage der entsprechenden Anwendbarkeit des § 75a HGB überhaupt zu erörtern. Auch wenn der Senat später im Jahre 2008 wie selbstverständlich seine Rechtsprechung von 1992 bestätigt hatte, wonach die Gesellschaft sich einseitig aus dem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot lösen darf, sollte eine vertragliche Verzichtsregelung im Hinblick auf die durch das Urteil des Jahres 2002 eingetretenen Irritationen getroffen werden. § 75a HGB sieht vor, dass der Arbeitgeber noch ein Jahr nach Ausübung des Verzichtsrechts an seine Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung gebunden bleibt. Ob und inwieweit die vertragliche Verzichtsregelung hiervon abweichen kann, ist (noch) nicht durch den BGH geklärt. Die Ausgestaltung des Verzichtsrechts ist bei vorformulierten Vereinbarungen an § 307 Abs. 1 BGB zu messen, weshalb eine unangemessene Benachteiligung des Organmitglieds zu vermeiden ist. Ein fristloses Verzichtsrecht wird wegen der Unsicherheitssituation für das Organmitglied überwiegend für unbillig erachtet. Eine Frist von drei Monaten, jedenfalls aber von sechs Monaten begegnet keinen Bedenken, da dem Organmitglied dann genügend Zeit verbleibt, sich an die neue Situation anzupassen. Denkbar ist auch, auf die jeweilige Kündigungsfrist abzustellen, da die Parteien damit den Zeitraum einer angemessenen wechselseitigen Planungsfrist dokumentiert haben.
Rz. 917
Ebenfalls umstritten ist, ob ein Verzichtsrecht für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses (siehe Abs. 2) wirksam vereinbart werden kann. In Arbeitsverträgen würde eine solche Regelung wegen der Umgehung der gesetzlichen Karenzentschädigungspflicht zum Vorliegen eines unzulässigen "bedingten Wettbewerbsverbots" führen. Da Organmitglieder weniger sozial schutzbedürftig sind, wird ein Verzichtsrecht nach Beendigung überwiegend für zulässig gehalten, jedenfalls solange eine angemessene Frist bis zum Wegfall der Karenzentschädigung vorgesehen wird. Da das Organmitglied dennoch in seinen Bemühungen um eine neue Anstellung behindert wird, solange der Arbeitgeber noch nicht über die Ausübung des Verzichtsrechts entschieden hat, bleibt ein Unwirksamkeitsrisiko im Hinblick auf § 138 BGB und auch § 307 BGB. Dieses wird entschärft, wenn dem Organmitglied das Recht einräumt wird, die Gesellschaft zur Erklärung über die Ausübung des Verzichtsrechts aufzufordern. Auch wenn ein Verzichtsrecht nach Beendigung vereinbart wird, sollte der Verzicht sicherheitshalber möglichst vor Vertragsende und im Zweifel sogar spätestens mit der Kündigungserklärung ausgesprochen werden. Denn nach einer Entscheidung des BGH entfällt eine vereinbarte Karenzentschädigungspflicht nicht mit dem Verzicht, wenn der Verzicht nach ordentlicher Kündigung des Anstellungsvertrages erst zu einem Zeitpunkt erklärt wird, in dem sich der Geschäftsführer auf die mit dem Wettbewerbsverbot verbundenen Einschränkungen seiner beruflichen Tätigkeit bereits eingerichtet hat.