Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 740
Das Gebot zur wirtschaftlichen Leistungserbringung ist eine jedem Leistungserbringer im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nach den §§ 12, 70 SGB V obliegende Verpflichtung. Dieses Gebot trifft daher nicht nur den Krankenhausträger bei Erbringung der Krankenhausleistung, sondern auch den Chefarzt im Rahmen ambulanter vertragsärztlicher Leistungen auf der Grundlage einer persönlichen Ermächtigung oder im Rahmen der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt in gleicher Weise auch bei wahlärztlicher Tätigkeit.
Sinn der Regelung des § 6 Abs. 1 und 2 ist es, den Chefarzt in die sozialversicherungsrechtlich bestehende Verpflichtung des Krankenhausträgers einzubinden, indem die Verpflichtung zur zweckmäßigen, wirtschaftlichen und sparsamen Leistungserbringung durch den Chefarzt selbst und die Ärzte seiner Abteilung zum Inhalt der arbeitsvertraglichen Verpflichtung des Chefarztes gemacht wird. Darüber hinaus wird die Verpflichtung zur wirtschaftlichen Leistungserbringung auch auf die sonstige Leitungstätigkeit des Chefarztes erstreckt und damit als arbeitsvertragliche Verpflichtung über den auf die Leistungserbringung in der GKV begrenzten Anwendungsbereich hinaus auf den gesamten Aufgabenbereich des Chefarztes erweitert. Der Chefarzt wird durch diese Regelung verpflichtet, die ihm vom Krankenhausträger für seine Abteilung zur Verfügung gestellten personellen, sächlichen und medizinisch-technischen Ressourcen wirtschaftlich optimal einzusetzen. Verletzt der Chefarzt die aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot folgenden Verpflichtungen, können Schadensersatzansprüche des Krankenhausträgers begründet sein.
Damit entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen der ärztlichen Diagnose- und Therapiefreiheit einerseits und der Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit andererseits. Dieses Spannungsverhältnis wird dadurch aufgelöst, dass dem Krankenhausträger die Letztentscheidungsbefugnis über das "Ob" der Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden einschließlich damit verbundener kostenauslösender medizinischer Entscheidungen sowie sonstiger kostenwirksamer Maßnahmen zugeordnet wird, während der Chefarzt im Rahmen der eingeführten Methoden und Maßnahmen die eigentliche ärztliche Entscheidung über Diagnose und Therapie weisungsfrei treffen darf und muss, wobei er allerdings das Wirtschaftlichkeitsgebot als einen wesentlichen Entscheidungsaspekt zu berücksichtigen hat. Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird wiederum durch den durch die medizinischen Notwendigkeiten gezogenen Rahmen begrenzt.
Die vertragliche Regelung bewirkt, dass der Chefarzt seine weisungsfrei zu treffenden Entscheidungen über die ärztliche Diagnose- und Therapiemaßnahmen nicht nur an dem Maßstab medizinischer Zweckmäßigkeit zu orientieren hat, sondern auch an dem Gebot der Wirtschaftlichkeit. In der Praxis wird der Krankenhausträger regelmäßig Vorgaben für die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung in Form von Richtlinien oder Kommissionsentscheidungen, z.B. im Bereich der Arzneimittelversorgung oder der Labormedizin vorgeben, die der Chefarzt bei seinen ärztlichen Entscheidungen zu berücksichtigen hat. Der Chefarzt hat darüber hinaus in Fällen, in denen er die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie sonstiger neuer Maßnahmen für geboten hält, dem Krankenhausträger entsprechende Vorschläge zu unterbreiten und zu versuchen, das Einvernehmen mit dem Krankenhausträger herzustellen. Ohne Herstellung des Einvernehmens darf der Chefarzt neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht einführen.
Der Mustervertrag geht in § 6 Abs. 3 davon aus, dass der Krankenhausträger – moderner Unternehmensführung entsprechend – für die einzelnen Abteilungen Budgets festlegt, um die Wirtschaftlichkeit der einzelnen Abteilungen über Zielvorgaben und Budgets zu steuern. Um die Steuerungswirkung entfalten zu können, ist es notwendig, den Chefarzt an der Festlegung der Zielvorgaben und des Budgets zu beteiligen, was in dem Muster durch die Verpflichtung zur Benehmensherstellung vorgesehen ist. Da die Herbeiführung des Benehmens nicht die Zustimmung des Arztes erfordert, wohl aber die Verpflichtung des Krankenhausträgers begründet, Zielvorgaben und Budgetumfang mit dem Arzt unter Berücksichtigung der von dem Chefarzt vorgetragenen Argumente mit dem Willen zur Einigung zu erörtern und die letztlich getroffene Entscheidung sachlich zu rechtfertigen, liegt das Letztentscheidungsrecht insoweit beim Krankenhausträger.
Mit dieser Regelung korrespondiert die Festlegung der leistungsabhängigen Vergütung in § 8 Abs. 3 des Vertragsmusters. Eine derartige leistungsabhängige Vergütung wird im Rahmen der festzulegenden Zielvorgaben typischerweise an die Budgeteinhaltung anzuknüpfen sein.