Prof. Dr. iur. Uwe Dathe, ... Einhaus
Rz. 712
Die Entsendungsvereinbarung sieht ausdrücklich eine Rechtswahl des deutschen Rechts vor. Seit dem 17.12.2009 gilt die EG-VO 593/2008, die so genannte "Rom I-Verordnung". Die dort zu findenden Regelungen entsprechen in vielen Punkten der vorherigen deutschen Rechtslage zum EGBGB. Die Rom I-VO ersetzt das EGBGB in ihrem Regelungsbereich für alle nach dem 17.12.2009 geschlossenen Verträge. Grds. ist es den Parteien möglich, i.R.d. Privatautonomie das Arbeitsstatut vertraglich zu bestimmen. Dabei sind jedoch die Einschränkungen der Art. 8 Abs. 1, 21 Rom I-VO zu berücksichtigen. Nach Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO darf die Rechtswahl bei Arbeitsverträgen und Arbeitsverhältnissen nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach objektiver Bestimmung mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Dies bedeutet, dass wenn nach der objektiven Anknüpfung des Art. 8 Abs. 2 S. 1 Rom I-VO an sich deutsches Recht anzuwenden wäre, die zwingenden Vorschriften des deutschen Arbeitsrechts (z.B. §§ 1 ff. KSchG, § 613a BGB, § 622 BGB, EFZG, ArbNErfG) durch die Rechtswahl nicht ausgeschlossen werden können. Insofern gilt für den Mitarbeiter quasi ein "Günstigkeitsprinzip". Bei einer nur vorübergehenden Entsendung des Mitarbeiters in ein anderes Land bleibt es nach Art. 8 Abs. 2 S. 2 EGBGB allerdings auch nach objektiven Gesichtspunkten bei der Anwendung des deutschen Arbeitsrechts. Anders stellt sich dies dar, wenn es sich um eine dauernde, nicht nur vorübergehende Entsendung in den Einsatzstaat handelt. Eine Rechtswahl wird ferner durch die Grenze des "ordre public" begrenzt (Art. 21 Rom I-VO). Demnach darf die Wahl einer ausländischen Rechtsordnung durch Vertrag nicht zur Anwendung von Vorschriften führen, die mit den wesentlichen Grundsätzen deutschen Rechts nicht vereinbar sind. Damit müssen insbesondere die Grundrechte sowie die Vorschriften der öffentlichen Ordnung gewahrt bleiben. Selbst in den Fällen, in denen die objektive Anknüpfung nach Art. 8 Abs. 2 ROM I-VO zur Anwendung ausländischen Rechts führt und dieses auch vereinbart ist, sieht Art. 9 Rom I-VO vor, dass auf das Arbeitsverhältnis die Bestimmungen des deutschen Rechts Anwendung finden, die den Sachverhalt zwingend regeln (so genannte "Eingriffsnormen"). Zu diesen international zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts gehören etwa die Kündigungsfristen des § 622 BGB, nicht aber das Kündigungsschutzgesetz oder § 613a BGB. Insgesamt sollte bei der Wahl ausländischen Rechts zurückhaltend vorgegangen werden. Die oben aufgeführten Mindeststandards, von denen auch durch Rechtswahl nicht abgewichen werden kann, führen häufig zu einer Vermischung verschiedener Rechtsordnungen und somit zu einem ggf. schwer zu durchschauenden Geflecht von Normen. Teils wird daher angeraten, das objektiv anzuwendende Recht (Art. 8 Abs. 2 Rom I-VO) lediglich bestätigend in den Vertrag aufzunehmen und eine abweichende Rechtsordnung nicht zu wählen.
Rz. 713
Die Möglichkeiten in Bezug auf die Vereinbarung eines vertraglichen Gerichtsstandes sind sehr begrenzt. In allen Mitgliedsstaaten der EU außer Dänemark gilt die sog. EuGVVO (EU-VO Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.12.2012). Gem. der EuGVVO hat der Arbeitnehmer die Wahl, ob er am Sitz des Arbeitgebers, am Sitz der ihn beschäftigenden Niederlassung oder an seinem gewöhnlichen Arbeitsort aus dem Arbeitsverhältnis klagen will. Der Arbeitgeber hingegen ist mit seinen Klagen auf den Gerichtsstand am Wohnsitz des Arbeitnehmers beschränkt. Soweit hiervon abweichende Gerichtsstandsvereinbarungen getroffen werden sollen, ist dies nur nach Entstehen der Streitigkeit oder insoweit möglich, als sie dem Arbeitnehmer zusätzliche Gerichtsstände einräumen. Die zusätzlichen Gerichtsstände für den Arbeitgeber können somit nur nach Entstehen der Streitigkeit mit dem Arbeitnehmer vereinbart werden. Außerhalb des Anwendungsbereiches der EuGVVO sind gegebenenfalls internationale Verträge und Übereinkommen zu beachten (z.B. "Lugano-Übereinkommen" für Verhältnis zu Norwegen, Island, Schweiz). Finden weder die EuGVVO noch andere internationale Vereinbarungen oder Übereinkommen Anwendung, so gelten die allgemeinen Zuständigkeitsregelungen nach der ZPO.