Dr. Katja Francke, Dr. Norma Studt
Rz. 758
Die Zulässigkeit von Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen ist angesichts des Umstandes, dass es sich zumindest bei Chefarztverträgen, die auf der Basis von Formularmustern entwickelt werden, um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, umstritten. Das BAG hält derartige Entwicklungsklauseln grds. für zulässig, untersucht die Wirksamkeit ihrer Anwendung aber vermittels einer zweistufigen Prüfungsfolge, nämlich im ersten Schritt hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit der Entwicklungsklausel selbst (sog. Inhaltskontrolle) und im zweiten Schritt bezogen auf die Anwendung der Klausel im konkreten Einzelfall (sog. Ausübungskontrolle).
Derartige Entwicklungsklauseln bewirken eine Erweiterung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts des Krankenhausträgers gegenüber dem Chefarzt und verfolgen das Ziel, den Krankenhausträger in die Lage zu versetzen, ohne Zustimmung des Chefarztes einseitig organisatorische Änderungen in der Abteilung des Chefarztes vornehmen zu können, die sich auf die Rechtsstellung und insbesondere den Vergütungsanspruch des Chefarztes auswirken können. Richtigerweise ist die AGB-rechtliche Überprüfung derartiger Entwicklungsklauseln am Maßstab des § 308 Nr. 4 BGB vorzunehmen, wobei allerdings die Wertungen des § 307 Abs. 1, 2 BGB zu berücksichtigen sind. Danach sind Entwicklungsklauseln in allgemeinen Geschäftsbedingungen zulässig, wenn die mit der Entwicklungsklausel zu bewirkende Änderung oder Abweichung unter Berücksichtigung der Interessen des Krankenhausträgers für den Chefarzt zumutbar ist. Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass durch die Klausel sichergestellt ist, dass der Chefarzt bei der in Anwendung der Klausel vorzunehmenden Anpassung wirksam einbezogen wird und sich die Beteiligung des Chefarztes nicht als bloße Formalität erweist. Dem soll das Erfordernis nach Anhörung und Erörterung in § 17 Abs. 1 des Musters Rechnung tragen.
Hinzukommen muss, dass die Anknüpfungspunkte für eine Anpassung bereits in der Entwicklungsklausel zumindest schlagwortartig konkret beschrieben werden, um die Anwendbarkeit der Anpassungs- und Entwicklungsklausel nicht in das Belieben des Verwenders, also des Krankenhausträgers zu stellen. Dies bedeutet, dass die sachlichen Gründe, die die mittels der Entwicklungsklausel umzusetzenden organisatorischen Änderungen motivieren, in der Vertragsklausel selbst zumindest schlagwortartig festgelegt werden müssen. Der Erfüllung dieses Erfordernisses dient die in § 17 Abs. 1 des Musters enthaltene Anknüpfung an die Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Leistungsfähigkeit oder Wirtschaftlichkeit des Krankenhauses sowie die in § 17 Abs. 2 des Musters festgelegten Kriterien, nach denen die Änderungen sachlich geboten sind. Auch die in § 17 Abs. 1 lit. a) bis d) des Musters näher bezeichneten Anpassungsfälle dienen dem Ziel der Konkretisierung der in Anwendung der Entwicklungsklausel zu treffenden Maßnahmen.
Die Sicherung der Zumutbarkeit der durch die Anpassungs- und Entwicklungsklausel möglichen Änderungen muss darüber hinaus in der Vertragsformulierung selbst angelegt sein. Das Vertragsmuster versucht dies durch die in § 17 Abs. 2 enthaltene Begrenzung der durch die Änderung eintretenden Einkommensverluste für den Chefarzt auf einen Prozentsatz der in der Vergangenheit erzielten Vergütung des Chefarztes zu erreichen. Die Untergrenze, die dabei nicht unterschritten werden sollte, dürfte bei Unterschreitung eines Prozentsatzes von 60 % sicherlich verfehlt sein. Das BAG hat in zwei älteren Entscheidungen eine Entwicklungsklausel für wirksam erachtet, bei der die Absenkung der Vergütung im dienstlichen Bereich auf 75 % und der Gesamteinnahmen des Chefarztes einschließlich der Einkünfte aus Nebentätigkeiten auf 60 % bis 65 % begrenzt waren. Es spricht einiges dafür, dass die Rechtsprechung des BAG zur höhenmäßigen Begrenzung als Wirksamkeitsvoraussetzung für Widerrufsklauseln, die das BAG auf 70 % fixiert hat, auch auf Entwicklungsklauseln in Chefarztverträgen übertragbar sein dürfte. Es empfiehlt sich aus Gründen der Vorsicht, eine zu sichernde Vergütung von mindestens 75 % der zuletzt erzielten Vergütung festzuschreiben, weil nach dem vorliegenden Vertragsmuster alle Einnahmen des Chefarztes aus dem dienstlichen Bereich stammen. Im Wege einer Kontrollüberlegung muss hinzukommen, dass die verbleibende gesicherte Vergütung immer noch deutlich oberhalb des höchsten Tarifgehaltes für ärztliche Tätigkeiten in dem Krankenhaus liegen muss.
Zu beachten ist, dass die Wirksamkeit einer einseitigen organisatorischen Änderung durch den Krankenhausträger nicht nur eine rechtswirksame Entwicklungsklausel voraussetzt. Aufgrund der AGB-rechtlich vorzunehmenden Ausübungskontrolle muss vielmehr die Änderung auch im konkreten Einzelfall gerechtfertigt sein. Dies setzt neben der Wahrung der vereinbarten Beteiligungsrechte des Chefarztes – nach dem Vertragsmuster also dessen Anhörung zu den beabsi...